DER SCHATZ IM SILBERSEE

ORIGINAL FILM STORY UND FILM BILDER


Winnetou und Old Shatterhand - Der Schatz im SilberseeWinnetou - Der Schatz im Silbersee

»Nun sehen wir sie endlich von Angesicht zu Angesicht - die schon fast legendären Blutsbrüder Old Shatterhand und Winnetou, den weißen Mann, der über das Große Wasser kam, um im Westen eine neue Heimat zu finden und Heldentaten zu verrichten, die ihm unsterblichen Ruhm eintragen sollten, und den letzten Häuptling der Apatschen, der bedingungslos sein Leben einsetzt, wenn es gilt, dem Recht zum Siege zu verhelfen, den aber bereits die Tragik seiner sich im Todeskampf noch einmal aufbäumenden Rasse überschattet. Mit ihnen durchqueren wir die Höhen und Tiefen des gewaltigen Felsengebirges, mit ihnen reiten wir über die endlosen Weiten der amerikanischen Prärien, mit ihnen erleben wir das große Abenteuer eines gnadenlosen Kampfes um den Besitz märchenhafter Reichtümer«.


INHALT

INFO
FILM-STORY
FILM-PLAKATE/ POSTER
REFERENZ


INFO

DER SCHATZ IM SILBERSEE

Bilder aus dem Rialto-Constantin-Farbfilm nach dem gleichnamigen Roman von Karl May

Produktion: Rialto Film Preben Philipsen/Jadran Film
Regie: Dr. Harald Reinl
Gesamtleitung: Horst Wendlandt

Personen und ihre Darsteller:

Old Shatterhand . . . . . Lex Barker
Winnetou . . . . . . . . . .  Pierre Brice
Fred Engel . . . . . . . . .  Götz George
Cornel Brinkley . . . . .  Herbert Lom
Ellen Patterson . . . . . . Karin Dor
Lord Castlepool . . . . . Eddi Arent
Mrs. Butler . . . . . . . . . Marianne Hoppe
Patterson . . . . . . . . . .  Jan Sid
Sam Hawkens . . . . . . . Ralf Wolter
Gunstick Uncle . . . . . . Mirko Bauman
sowie:
Jozo Kovacevic, Slobodan Dimitrijevic,
Miliroj Stojanovic, Branko Spoljar,
Velimir Hitil, Antun Nalis

Verleih: Constantin-Filmverleih GmbH
Weltvertrieb: Exportfilm


Winnetou und Old Shatterhand entdecken ein Verbrechen. Brinkley, genannt der Cornel und seine Verbrecherbande haben die Postkutsche überfallen und Erik Engel, der einen Geheimplan mit dem Weg zum sagenumwobenen Schatz im Silbersee bei sich hatte, ermordet.Als Engels Sohn Fred, der auf Butlers Farm arbeitet, von dem Mord an seinem Vater erfährt, bricht er sofort auf, um den Täter zu suchen.

DER SCHATZ IM SILBERSEE

Eine rötliche Staubfahne kennzeichnete den Weg der planmäßigen Postkutsche von Kansas City nach Pueblo, als das schaukelnde Gefährt in ein felsiges Tal einbog. Die vier Zugpferde griffen weit aus, angefeuert von der Peitsche des Kutschers und den Zurufen des schwerbewaffneten Beifahrers. In engen Windungen führte die Straße nach Tulsa. Dort sollten an der Poststation die Pferde gewechselt werden.
Nur zwei Fahrgäste saßen im Innern der Kutsche, die in halsbrecherischem Tempo durch die Kurven fuhr. Seufzend lehnte sich der vornehm gekleidete graubärtige Herr, der, im Passagierbuch als Erik Engel verzeichnet war, in die Polster zurück und schloß die Augen. Der zweite Fahrgast nannte sich Brown. Er war wie ein Cowboy gekleidet. Seine stechenden schwarzen Augen und sein verkniffener Mund ließen ihn unheimlich erscheinen. Trotzdem hätte ihn niemand für den Boß einer berüchtigten Bande von Tramps gehalten. Eingeweihte nannten ihn den Cornel, mit einer Verstümmelung des englischen Wortes Colonel = Oberst: Jeder wußte, daß der Cornel gar kein Offizier war.
Der Bandit warf einen schnellen Blick auf den Graubärtigen und schaute dann wieder scheinbar uninteressiert aus dem Wagenfenster. Nicht die Schönheit der wildromantischen Landschaft mit ihren weißleuchtenden Felsen und den vereinzelten niedrigen Büschen fesselte jetzt seine Aufmerksamkeit, sondern die schluchtähnliche Durchfahrt am Ende des Tals. Der Cornel lächelte böse und zog den Vorhang zu.
Kurz vor dem Engpaß verlangsamte der Kutscher die Fahrt, weil die Straße steiler wurde. Kaum hatten sie die Felsen erreicht, als mehrere Schüsse krachten. Erschrocken riß der Fahrer die Pferde zurück und brachte die Postkutsche zum Stehen. Der Beifahrer ließ sich fallen und versuchte, sein Gewehr in Anschlag zu bringen. Zwei Schüsse von den Wegelagerern hinter den Felsen trafen ihn ins Herz. Nun traten die Banditen aus ihrem Versteck hervor und hielten mit erhobenen Gewehren den Kutscher im Schach. Mit schreckgeweiteten Augen sah der Graubärtige, daß der Anschlag ihm galt. Der Cornel zog das Bowiemesser und erstach Erik Engel. Dann beugte er sich aus dem Fenster der Kutsche und schoß den Fahrer, der mit erhobenen Händen wie gelähmt auf dem Bock saß, von hinten nieder. Johlend beobachteten die Banditen, wie der Cornel den Erstochenen durchsuchte.
Die wenigen Häuser des kleinen Städtchens Tulsa lagen wie verlassen da. Die Sonne brannte auf die Schindeldächer und auf die menschenleere, staubige Straße. Vor der Poststation standen zwei Pferde mit hängenden Köpfen und verscheuchten mit trägen Bewegungen die Fliegen. Nur im Saloon war etwas los. Die Männer an der langen Bartheke und an den Tischen unterhielten sich lauthals. Sie mußten brüllen, um das Geklimper des elektrischen Klaviers zu übertönen. Ein bärtiger Wunderdoktor, der sich Jefferson Hartley nannte, versuchte mit lauter Stimme seine Wundermedizinen zu verkaufen. Immer wieder glitt sein Blick verstohlen zu einem Kreis junger Cowboys hinüber, die einander lachend zuprosteten. Ein junger Mann mit Namen Frederick Engel, von seinen Freunden Fred genannt, saß in ihrer Mitte und füllte immer wieder die Gläser. Hartley ging ein paar Schritte näher zu der Gruppe hin, um verstehen zu können, was Fred erzählte. »Ich sage das nicht etwa, weil er mein Vater ist«, rief der junge Engel stolz. »Nein, sondern weil es wahr ist. Und ich sage euch, einen besseren Kameraden und einen feineren Kerl gibt es auf der ganzen Welt nicht. Darauf wollen wir jetzt trinken!« Die Whiskyflasche machte die Runde.
In der äußersten Ecke neben dem Fenster zur Straße saßen zwei sonderbare Gestalten. Der eine war ein kleiner dicker Kerl. Er trug einen ledernen Mantel, den man mit so vielen Flicken ausgebessert hatte, daß das Kleidungsstück schon ganz steif geworden war. Alle Welt kannte den Kleinen unter dem Namen Sam Hawkens. Sein Begleiter, das genaue Gegenstück zu ihm, war lang und dürr und hatte die seltsame Angewohnheit, alles in Versen auszudrücken. Weil er steif wie ein Ladestock einher zu stolzieren pflegte, hatte man ihm den Spitznamen Gunstick-Uncle angehängt.
Der kleine Dicke lüftete von Zeit zu Zeit seine struppige Perücke, die den skalpierten Schädel bedeckte, und kratzte sich am Kopf. »So eine Hitze!« schnaufte er. »Mich juckt mein Skalp oder vielmehr das, wo er früher einmal war. Ich werde mal das Fenster aufmachen.« Flink watschelte er zum Fenster und riß beide Flügel weit auf. Erstaunt schob er seine Perücke aus der Stirn, denn ein merkwürdiger Reiter näherte sich jetzt dem Saloon. Er trug einen blütenweißen Tropenanzug und einen weißen Tropenhelm und ritt einen ungeschlachten Klepper. Achselzuckend wandte sich Sam Hawkens wieder ab und setzte sich auf seinen Platz.
An der Theke war ein Tumult entstanden. Der Wirt, ein großer, kräftiger Mann, nahm einen der Gäste beim Kragen und schleppte ihn zur Tür. »Seit sechs Wochen habe ich dir anschreiben lassen, jetzt ist Schluß!« brüllte er wütend. Mit einem gewaltigen Schwung warf er den betrunkenen Farmer durch die Pendeltür ins Freie. Der Mann landete genau vor den Füßen des weißgekleideten Neuankömmlings, der ihn verwundert betrachtete. Mühsam stemmte er den Betrunkenen hoch und hob tadelnd den Zeigefinger. »Niemals solltet Ihr ohne Hut in die pralle Sonne gehen, mein Freund.« Er lüftete höflich seinen Tropenhelm, wie es sich für einen Harold James Angus Lord Castlepool gehörte, und betrat den Saloon.

Fred begegnet Old Shatterhand, und dieser verspricht ihm, auf der Suche nach dem Cornel behilflich zu sein. Winnetou dagegen will die Verbrecherbande im Auge behalten.Winnetou entdeckt das Versteck der Banditen, belauscht deren Beratung und erfährt, dass die Planskizze unvollständig ist. Die andere Hälfte des Planes befindet sich in Händen von Patterson, der mit seiner Tochter Ellen auf Butlers Farm weilt.

Die Männer verstummten, als sie den Lord steifbeinig hereinkommen sahen. Alle Köpfe waren ihm zugewandt. Zielsicher steuerte er auf die Theke zu, wurde aber von dem Wunderdoktor Hartley aufgehalten. »Seid Ihr verwundet, Mister?« fragte der ihn eifrig. »Ich habe hier nämlich eine wunderbare Medizin.« In strammer Haltung lächelte der Neuankömmling ihn an. »Danke vielmals, mir persönlich fehlt nichts. Mein Pferd ist mir nur ein paar Nummern zu groß.« Grüßend legte er die Hand an den Helm und lehnte sich an die Bar. Der Wirt füllte ein Glas mit Rum und ließ es geschickt über die glatte Theke gleiten, daß es genau in der Hand des Lords zum Stillstand kam. Verwirrt blickte Castlepool auf und versuchte den Farmern nachzueifern. Mit einem Schluck leerte er das Glas. Die Augen drohten ihm aus den Höhlen zu treten, als er einen Hustenanfall unterdrückte.
»Schmeckt Euch mein Rum etwa nicht?« fragte der Wirt und kam drohend näher. »Doch, doch«, beeilte sich Lord Castlepool zu versichern. »Ich huste nur so zum Vergnügen.« - »Darf ich fragen, was Ihr in dieser Gegend sucht?« Castlepool nahm seinen Tropenhelm ab, wischte sich den Schweiß von der Stirn und lehnte sich vertraulich vor. »Ich suche den Papilio polymnestor«, sagte er geheimnisvoll. Der Wirt dachte einen Moment angestrengt nach. »Den kenn' ich gar nicht, den Mann. Wie sieht er denn aus?« - »Er ist mittelgroß und hat rote Flügel. Manchmal ist er auch blau.« Der Wirt schien zu glauben, der Lord wollte ihn zum Narren halten. Er stemmte die Arme in die Seite und brüllte: »Was!« Lord Castlepool schaute irritiert auf. »Na, der Schmetterling. Ihr müßt wissen, ich sammle nämlich Schmetterlinge.«
Auf der Erde, mit dem Rücken gegen die Wand gelehnt saß ein alter Goldgräber und richtete sein Gewehr auf Castlepool. Die alte Donnerbüchse spuckte Feuer und Blei, dann stand der Lord ohne seine vornehme Kopfbedeckung an der Theke. Verdutzt bückte er sich und betrachtete eingehend die beiden Löcher, die den Helm zierten. Eine Lachsalve der Gäste belohnte den Schuß. Lord Castlepool legte ein Geldstück auf die Theke und verließ in strammer Haltung den Raum. Das Gelächter und Geschrei begleitete ihn noch bis hinaus auf die Straße.
Hartley hatte sich wieder in die Nähe von Fred Engel geschlichen. Der junge Mann gab ja mächtig an. Möglicherweise konnte man bei dem etwas holen. »Nun rede doch schon, was ist denn los, wenn dein Vater zurückkommt?« fragte einer der Cowboys Fred Engel neugierig. Fred nahm einen tiefen Schluck aus seinem Glas. »Das möchtest du wohl gerne wissen, was?« Er machte mit Daumen und Zeigefinger die Bewegung des Geldzählens. »Reich, steinreich wird er zurückkommen, mein Vater. Jawohl. Und darauf wollen wir jetzt trinken. Der alte Erik Engel soll leben!« Die anderen stimmten in seinen Hochruf ein. Er kam noch einmal auf das Thema zurück, besann sich aber dann. »Darüber darf ich noch nicht reden. Erst wenn mein Vater aus Salt Lake City zurückkommt.«

Kaum sind Old Shatterhand und Fred auf Butlers Farm angelangt, da stürmt auch schon die Bande herbei, um die Farm zu belagern.Patterson und seine Tochter Ellen, die ausgeritten waren, fallen in die Hände der Banditen. Der Cornel verlangt als Lösegeld die zweite Hälfte des Planes.

Hartley stand jetzt ganz dicht neben Fred Engel, tat so, als suche er etwas in seinem Kasten und lauschte begierig auf jedes Wort. »Was wollt Ihr von mir, Mister?« fuhr Fred den Kurpfuscher an. Hartley setzte ein würdiges Gesicht auf und sagte ernsthaft: »Ich bin der Magister Jefferson Hartley, von Beruf Arzt.« Fred lachte gutmütig und winkte ab. »Ich bin gesund und mein Pferd auch. Mit mir ist kein Geschäft zu machen, Mister.« Hartley beugte sich zu ihm hinunter. »Ich habe hier ein Adua chimborasso amore. Drei Tropfen davon genügen, um ein Mädchen in heißer Liebe zu Euch entbrennen zu lassen, Mister. Drei Dollar kostet die ganze Flasche.« Lachend hatten die Cowboys zugehört. Fred war in glänzender Stimmung. »Wenn mich mein Mädchen nicht auch ohne Euer Wässerchen liebt, Doc«, rief er übermütig, »dann wird nichts aus uns beiden.«
Die Pendeltür wurde aufgestoßen, ein Farmer meldete die Ankunft der Postkutsche. Sofort standen alle auf und drängten sich zur Tür, Fred Engel allen voran. Bei den ersten Häusern tauchte die Kutsche auf und kam schnell näher. Die freudigen Rufe verstummten, als einer der Männer schrie: »Wo ist denn der Kutscher?« Vor der Poststation blieben die schaumbedeckten Pferde erschöpft mit zitternden Flanken stehen.
Bevor irgend jemand etwas unternehmen konnte, rannte Fred Engel schon los. Er riß den Schlag der Postkutsche auf. Ein lebloser Körper fiel ihm in die Arme. »Vater«, murmelte der junge Mann tonlos. Schweigend begriffen die Gäste des Saloons, daß sich eine bittere Tragödie abgespielt haben mußte. Mit schweren Schritten, wie ein Schlafwandler, ging Fred auf den Saloon zu. Liebevoll trug er seinen toten Vater in den Armen. Mit gesenkten Köpfen machten ihm die Männer Platz; manch einer bekreuzigte sich, niemand sprach ein Wort. Vor der Schwingtür drehte sich Fred noch einmal um. Mit abwesendem Blick schaute er in die Ferne. »Ich werde deinen Mörder finden«, sagte er leise, aber aus seiner Stimme klang tödliche Entschlossenheit.
Zwei Reiter näherten sich der Schlucht, in der der Überfall auf die Postkutsche stattgefunden hatte. Sie ritten Rapphengste, wie sie nur die Apatschen züchteten. Einer der Reiter war ein Indianer, der andere ein schlanker, hochgewachsener Weißer. Der Indianer zog ein doppelläufiges Gewehr, dessen Schaft dicht mit silbernen Nägeln beschlagen war, aus dem Holster. Seine Augen waren zu Boden gerichtet, als verfolge er eine Spur. Dann sprang er vom Pferd. Der Weiße folgte seinem Beispiel. Zusammen suchten sie den Boden in großen Halbkreisen ab. Der Indianer richtete sich auf. »Fünf Pferde«, stellte er fest. »Ein Pferd trug keinen Reiter. Sie kamen aus dieser Richtung.« Sein ausgestreckter Arm deutete zu den Bergen.
Der Weiße nickte nachdenklich. »Hier sind sie abgestiegen, ihre Spuren führen zur Straße. Warum haben sie die Pferde hier gelassen?« Die beiden Männer gingen zu den Felsblöcken neben der Straße hinunter. »Hier haben die Männer im Hinterhalt gelegen.« Der Weiße verfolgte den Lauf der Straße und betrachtete die Spuren der Postkutsche, die sich im Staub eingegraben hatten. »Sie haben wahrscheinlich auf die Postkutsche gewartet«, sagte er und bückte sich. Er hatte eine Schleifspur entdeckt. Sie folgten ihr und fanden die Leichen des Kutschers und des Beifahrers.
Nach einer kurzen Untersuchung stellte der Weiße fest: »Sie sind in den Rücken geschossen worden. Es fand kein Kampf statt. Es war also ein feiger Meuchelmord.« Er sah etwas vor sich im Staub liegen, bückte sich und legte ein Messer mit blutiger Klinge frei. »Der dritte Mann wurde erstochen, aber er ist verschwunden.« Der Indianer nickte. »Dann kann er nur im Wagen liegen. Kein Pferd trug eine doppelte Last.« Der Weiße schaute zum Himmel hinauf und verfolgte den Flug der Geier über ihnen. »Welcher Spur folgen wir?« fragte er nach einer Pause. Der Indianer deutete nach Osten. »Mein Bruder Old Shatterhand wird nach Tulsa reiten. Winnetou verfolgt die Tramps.« Dann sprang er auf sein Pferd, hob die Hand zum Gruß und ritt davon. Old Shatterhand band die beiden Leichen auf das Packpferd und machte sich mit seiner traurigen Last auf den Weg nach Tulsa.
In Tulsa hatten sich die Menschen schon wieder beruhigt, soweit sie nicht unmittelbar von dem Unglück betroffen waren. Auf der Veranda vor dem Saloon war eine hitzige Debatte im Gang. Ein aufgeregter Mann mit Schnurrbart erklärte: »Also, ich sage Euch, daß nur fünfzig Dollar in der Kasse waren. Ich als Postmeister muß es doch wissen. Außerdem hat in der Passagierliste gestanden, daß nur zwei Reisende mitgefahren sind. Der unglückliche Mr. Engel und dann noch ein gewisser Brown, der spurlos verschwunden ist.« Sam Hawkens setzte sich auf das Verandageländer und stützte sich auf sein altmodisches Gewehr. » Jeder zweite Verbrecher nennt sich Brown«, erklärte er mit seiner Fistelstimme. »Die Banditen haben bestimmt kein Geld, sondern etwas ganz anderes gesucht.«
Hartley war überall dabei, wo es etwas zu erfahren gab. »Was sollen die wohl sonst suchen?« fragte er einfältig. In diesem Augenblick kam Fred Engel aus dem Saloon. Das Gespräch stockte, aber Fred betrachtete die Männer gar nicht. Der junge Mann ging schweigend zu seinem Pferd, saß auf und galoppierte aus der Stadt. Er schlug die Richtung ein, aus der die Postkutsche gekommen war. Sam Hawkens und Gunstick-Uncle tauschten einen schnellen Blick und liefen ebenfalls zu den Pferden. Sie wollten Fred folgen, damit der Junge nicht in Schwierigkeiten kam.
Langsam trottete Old Shatterhands Rappe mit dem Packpferd Tulsa entgegen. An einer kleinen Lichtung machte er Rast, um die Pferde an einem Bach zu tränken. Ihm entging nicht, daß sich ein Reiter der Lichtung näherte. Vorsichtshalber griff er nach dem Henrystutzen, um den Ankömmling bewaffnet zu erwarten. Fred parierte sein Pferd, als er den Mann mit dem Rappen und dem Packpferd bemerkte. Langsam ritt er näher heran. Er glaubte seinen Augen nicht trauen zu dürfen, als er die zwei leblosen Gestalten auf dem Packpferd sah. Im gleichen Augenblick war Fred fest davon überzeugt, einen der Banditen vom Überfall auf die Postkutsche vor sich zu haben. Er riß das Gewehr aus dem Holster und ritt los.

Old Shatterhand und Fred gelingt es, Patterson und seine Tochter Ellen zu befreien und beide durch einen Geheimgang auf die Farm in Sicherheit zu bringen.Wütend rennt nun der Cornel mit seiner Bande gegen die Mauern der Farm an und es entsteht ein heisser Kampf auf Leben und Tod.

Wenige Meter vor Old Shatterhand sprang er im Galopp vom Pferd und richtete das Gewehr auf den Westmann. »Keine Bewegung!« schrie er drohend. Old Shatterhand blieb ruhig stehen und sagte geduldig: »Das ist keine sehr freundliche Begrüßung.« Bei einem schnellen Blick auf das Packpferd entdeckte Fred die Reisetasche seines Vaters am Gurt. Ohne klar denken zu können, schrie er: »Mörder!«, riß das Gewehr hoch und drückte ab. Zwei Schüsse krachten zur gleichen Zeit. Old Shatterhand hatte sich geistesgegenwärtig fallen lassen und ebenfalls geschossen. Freds Gewehr wurde getroffen und fortgeschleudert. Aber der junge Mann war blind vor Haß und Wut. Er zog sein Messer und stürzte sich auf den Westmann. Old Shatterhand begriff, daß keine Zeit für Erklärungen war. Er wehrte das Messer ab und schlug den Jungen nieder.
Kaum lag Fred am Boden, da ließ sich eine wohlbekannte Fistelstimme hören. »He, du altes Greenhorn, sieht man dich auch einmal wieder?« Old Shatterhand richtete sich erstaunt auf. Um ihn herum standen mehrere Reiter, darunter Sam Hawkens und Gunstick-Uncle. Noch ehe der Jäger seinen alten Freund begrüßen konnte, schrie einer der Cowboys: »Das ist der Mörder! Hängt ihn auf!« Aufgeregt deutete er auf das Packpferd mit den zwei Toten. Sam Hawkens griff energisch ein. »Halt! Habt ihr denn keine Augen im Kopf, Mesch'schurs? Das ist doch kein Tramp. Seht Euch doch einmal den Rappen an und die beiden Gewehre. Wenn das nicht der Bärentöter und der Henrystutzen sind, dann fresse ich meinen Skalp mit Essig und Öl zum Frühstück!«
Jetzt erst begriffen die Männer, wen sie vor sich hatten. »Old Shatterhand!« murmelte der erste fassungslos. »Höchst persönlich, wenn ich mich nicht irre, hihihi«, kicherte Sam Hawkens belustigt. Old Shatterhand begann die Zusammenhänge zu begreifen. »Sucht ihr etwa die Tramps?« fragte er. Sam Hawkens nickte sorgenvoll. »Ja, sie haben den Vater von Fred Engel ermordet«, sagte er. Der Westmann wandte sich Fred zu und half ihm beim Aufstehen. »Tut mir leid, mein Freund«, sagte er entschuldigend und klopfte ihm teilnahmsvoll auf die Schulter. »Darüber unterhalten wir uns in Tulsa.« Fred rieb sich das Kinn und schüttelte schwerfällig den Kopf. »Nein, ich muß weiter. Ich muß den Mörder meines Vaters finden.« Old Shatterhand schob den Jungen zu seinem Pferd. »Das braucht Ihr nicht mehr«, erklärte er. »Winnetou ist dem Mörder auf den Fersen.«
Bei Sonnenuntergang hatte Winnetou den Talkessel erreicht, in dem die Tramps ihr Lager aufgeschlagen hatten. Er ließ seinen Rappen zurück und schlich bis an die Kante des Abbruchs vor, so daß er einen freien Einblick in den Kessel hatte. Eben traf unten eine Gruppe von sechs Reitern ein, die lebhaft von den anderen Tramps begrüßt wurde. Es waren dieselben Reiter, die den Überfall auf die Postkutsche ausgeführt hatten und denen Winnetou bis hierher gefolgt war. Unten wurden jetzt einige Feuer angezündet. Winnetou blieb noch eine Weile regungslos liegen und verschwand dann in der Dunkelheit. Vor der Pferdekoppel ging ein Wächter auf und ab und lauschte auf die Wortfetzen, die von den Feuern herüberdrangen. Da glaubte er ein fremdes Geräusch gehört zu haben. Mit leisem Scheppern schlug hinter ihm ein kleiner Stein auf den felsigen Grund. Der Wächter fuhr herum und hob das Gewehr. Gespannt versuchte er die Dunkelheit zu durchdringen. Die schattenhafte Gestalt Winnetous hinter sich bemerkte er nicht. Ein Arm legte sich um seinen Hals, ein leises Gurgeln, dann ließ Winnetou den schlaffen Körper zu Boden gleiten.
Keiner der Tramps bei den Feuern sah den dunklen Schatten, der durch die angelehnte Tür des baufälligen Blockhauses ins Innere huschte. Schnell sah Winnetou sich im Raum um. Ein roh zusammengezimmerter Holztisch, ein paar Stühle und eine primitive Lagerstatt bildeten die ganze Einrichtung. Das war das Versteck des Banditenführers, der den Überfall auf die Postkutsche auf dem Gewissen hatte und den sie den Cornel nannten. Geräuschlos durchsuchte Winnetou das Zimmer, als draußen Stimmen hörbar wurden. Geistesgegenwärtig schlich der Apatsche geschmeidig wie eine Katze die Leiter empor, die zu einem Vorratsraum auf dem Dachboden führte.
Als die Tür geöffnet wurde, deutete schon nichts mehr auf seine Anwesenheit hin. Der Cornel betrat den Raum, gefolgt von drei Unterführern. »Was war denn los?« fragte er herrisch. »Ach, nichts Besonderes«, erklärte einer der Männer, der Hilton genannt wurde. »Woodward hat wieder einmal gemeutert, weil bei der Sache mit der Postkutsche nichts für ihn herausgesprungen ist. Du wolltest uns übrigens noch über etwas aufklären.« Hilton brach ab und kratzte sich am Kopf. »Worum ging es denn eigentlich bei dieser verdammten Postkutsche?«
Der Cornel warf seinen schwarzen Stetson auf das Bett und hakte die Finger in den Patronengürtel. »Richtig, das sollt ihr erfahren«, sagte er und fuhr scharf fort: »..Aber das Maul müßt ihr halten. Habt ihr schon einmal etwas von einem Schatz im Silbersee gehört?« Erstaunt und zugleich enttäuscht blickten die Männer auf ihren Boß. »Aber das ist doch nur ein altes Ammenmärchen«, wagte Hilton einzuwerfen. Der Cornel musterte ihn geringschätzig. »So, glaubt ihr? Jedenfalls hat Hartley in Tulsa aufgeschnappt, daß ein gewisser Engel einen Plan besäße, auf dem der Weg zum Silbersee eingezeichnet ist. Den Rest habt ihr ja selber vorhin erlebt, ich meine den Überfall auf die Postkutsche.«
»Engel? Das ist also der Mann in der Postkutsche?« erkundigte sich Hilton. »Das war der Mann in der Postkutsche«, verbesserte der Cornel und zog ein Papier aus der Tasche. »Das hier ist die eine Hälfte des Planes. Wer die andere Hälfte hat, weiß ich noch nicht. Aber dieser Engel hat einen Sohn und der Sohn dürfte wissen, wer die zweite Hälfte besitzt.« Skeptisch betrachtete Hilton die Linien und Schraffuren auf dem Papier, das ihnen den Weg zum Silbersee zeigen sollte. »Und wo treiben wir seinen Sohn auf?« erkundigte er sich. »Ich habe Gonzales und Hartley auf ihn angesetzt«, sagte der Cornel und schaute auf die niedergebrannte Kerze. »Der Doktor wird ihn schon richtig verarzten.« - »Darauf müssen wir einen trinken. Wo habt Ihr denn Eure Schnapsfässer versteckt?« Der Cornel deutete auf den Dachboden.

In letzter Minute greift Winnetou ein. Zusammen mit dem befreundeten Stamm der Osagen eilt er den Bedrängten auf Butlers Farm zu Hilfe.Voll Freude und Genugtuung sehen Mrs. Butler und Ellen die geschlagene Verbrecherbande abziehen.

Leise schlich Winnetou an die Luke. Er saß in der Falle. Schon kam einer der Banditen die Leiter herauf. Ein gewaltiger Fußtritt schleuderte ihn hinunter. Der Mann krachte auf den Tisch, der unter seinem Gewicht zusammenbrach. Die Kerze verlosch, der Raum war in Finsternis getaucht. Schreiend hielt einer den anderen fest. Niemand bemerkte, daß die Tür knarrend geöffnet wurde. »Cornel, hierher, ich habe ihn!« rief Hilton aus einer Ecke des Raumes. Der Cornel war sofort bei ihm, hob das Messer und stach zu. Ein Aufstöhnen, dann wurde der Körper in Hiltons Händen schlaff: »Licht, zum Donnerwetter Licht!« brüllte der Cornel. Durch das Geschrei alarmiert, rissen einige der Tramps von draußen die Tür auf. Brennende Äste beleuchteten den Raum. Hilton umklammerte noch immer den Körper des Toten, dessen Kopf tief auf die Brust gesunken war. »Wer ist der Kerl?« schrie der Cornel wutschnaubend. Er packte den Kopf an den Haaren, riß ihn hoch - und blickte in die starren Augen des Banditen, der vorhin auf den Dachboden geklettert war.
Fluchend rannte der Cornel nach draußen und befahl seinen Leuten, die ganze Gegend abzusuchen. Ein Schuß krachte durch die Nacht und wurde hallend von den Wänden des Kessels zurückgeworfen. Erstarrt blieben die Tramps stehen und schauten hinauf zum Steilabbruch. Wie eine Statue hob sich Winnetou auf seinem Rapphengst vom dunklen Nachthimmel ab, angestrahlt von den Lagerfeuern der Banditen. Weithin hallte seine Stimme: »Das sagt euch Winnetou, der Häuptling der Apatschen: Wer es wagt, den beschworenen Frieden zu brechen, der stirbt!« Der Hengst bäumte sich auf. Sekunden später hatte die Dunkelheit die Gestalt des Apatschen verschluckt.
Währenddessen hatten Old Shatterhand, Sam Hawkens und Fred Engel eine ernsthafte Unterredung in Freds Hotelzimmer. Old Shatterhand lehnte mit verschränkten Armen an der Wand und betrachtete versonnen die alte Petroleumlampe, die den Raum notdürftig erhellte. Er konzentrierte sich ganz auf Fred Engels Geschichte, um die Hintergründe des gemeinen Mordes in der Postkutsche kennenzulernen. Sam Hawkens hatte es sich auf dem Bett bequem gemacht, sein Gewehr zwischen den Knien. »Als der alte Indianer starb, schenkte er meinem Vater den Plan«, berichtete der junge Mann. »Dann kam mein Vater zurück und entschloß sich, gemeinsam mit seinem Freund Patterson den Schatz zu suchen. Vor einer Woche fuhr er nach Salt Lake City, um die Besitzrechte zu klären, und jetzt auf der Rückfahrt . .« Fred stockte und bedeckte sein Gesicht mit den Händen, faßte sich aber schnell wieder und fuhr fort: »Dabei kann niemand etwas mit dem Plan anfangen, dazu war Vater viel zu vorsichtig. Er hat die Skizze in zwei Teile zerschnitten und die andere Hälfte Patterson gegeben.« Old Shatterhand unterbrach ihn. »Wo ist Patterson jetzt?« Fred sah erstaunt auf. »Patterson wartet auf Butlers Farm. Dort hatte er sich mit seinem Vater verabredet.« Kaum hatte der Junge ausgesprochen, da riß Sam Hawkens sein Gewehr hoch und schoß. Die Fensterscheibe zersplitterte.
»Weg vom Fenster, sonst schießt euch der Lauscher ab«, rief Old Shatterhand und löschte schnell das Licht. Von der Dachkante ließ sich ein Mann auf ein darunterstehendes Pferd fallen und galoppierte die Hauptstraße hinunter. Old Shatterhand schickte einige Schüsse hinter ihm her, aber die Dunkelheit machte genaues Zielen schwer. Sam Hawkens saß noch immer seelenruhig auf dem Bett. »An der linken Schulter habe ich ihn erwischt, den widerlichen Spion«, verkündete er feierlich. »Der kommt bestimmt so bald nicht wieder, wenn ich mich nicht irre, hihihi.« Old Shatterhand schnitt ihm das Wort ab. »Da irrt Ihr Euch aber, Sam. Die Tramps wissen jetzt, wo sie die zweite Hälfte des Planes finden. Wir müssen sofort zu Butlers Farm, sonst sind Patterson und der Plan verloren.« Fred rannte zur Tür, drehte sich noch einmal um und sagte zu dem Jäger: »Ich will den Schatz nicht haben. Ihr könnt meinen Anteil bekommen, wenn Ihr mir helft, den Mörder meines Vaters zu finden.« Old Shatterhand winkte ab. »Nein, mein Freund, mich kann man nicht kaufen. Aber um der Gerechtigkeit willen helfe ich Euch.« Betroffen blickte der junge Mann zu Boden. »Danke«, sagte er leise: Old Shatterhand drängte zum Aufbruch. »Wir müssen vor den Tramps auf der Farm sein«; erklärte er und verließ den Raum.
In gestrecktem Galopp ritt der falsche Arzt Hartley im Lager der Tramps ein. Der Schuß von Sam Hawkens hatte ihn tatsächlich leicht an der Schulter verwundet. Aber er hatte noch genügend Zeit gehabt, um einige wichtige Einzelheiten zu erfahren. Hartley jagte auf die Blockhütte zu, sprang kurz vor der Tür aus dem Sattel und erstattete dem Cornel Bericht. Wenig später verließen die beiden Männer die Hütte und weckten die Bande. Mit lauter Stimme verschaffte sich der Cornel Gehör.
»Hört zu, Leute! Hartley hier hat heute abend in Tulsa gehört, daß augenblicklich auf Butlers Farm eine Menge zu holen ist. Geld, Lebensmittel, Vieh, lauter Dinge, die wir gut gebrauchen können, oder etwa nicht?« Er wurde von den lauten Beifallsrufen der Bande unterbrochen. Woodward, einer der Unterführer trat vor und schrie: »Da können wir uns aber auch blutige Köpfe holen, die Farm ist gut befestigt!« - »So, sonst noch etwas?« fragte der Cornel leise. »Ja«, sagte Woodward laut in die Stille hinein. »Ich bin dagegen!« Die Banditen traten zurück. Woodward stand allein dem Cornel gegenüber. Auf seiner Stirn bildeten sich Schweißtropfen, wie hypnotisiert starrte er auf die Hand des Cornels, die sich langsam dem Colt an der Seite näherte.
Plötzlich hielt der Cornel den Revolver in der Hand. Woodward sah einen Feuerstrahl aus der Mündung schießen, spürte einen heftigen Schlag gegen die Brust, dann wurde es dunkel vor seinen Augen. Schwer schlug er auf dem Boden auf. Gelassen senkte der Cornel die Waffe und fragte mit einem Blick über die Bande: »Hat sonst noch jemand etwas zu sagen?« Schweigend umstanden die Tramps den Toten, aber der Befehl ihres Chefs riß sie aus der Erstarrung. »Wir reiten zu Butlers Farm!« rief der Cornel und bestieg sein Pferd. Kurze Zeit später ritten die Tramps in dichtem Haufen nach Nordosten, der Butler-Farm entgegen. Ein Indianer auf einem schwarzen Rapphengst folgte ihren Spuren.

Fred verfolgt den Cornel, und es gelingt ihm, diesem die erste Hälfte des Planes abzunehmen. Jedoch der Mörder selbst entkommt.Glücklich über die Befreiung verabschieden die Bewohner von Butlers Farm ihre Freunde, die Osagen. Gleichzeitig beschliesst man die Suche nach dem Schatz im Silbersee.

Old Shatterhand und seine Freunde waren ebenfalls auf dem Weg zu Butlers Farm. Unvermittelt zügelte der Westmann sein Pferd und deutete auf einen Hügelzug, der schräg vor ihnen lag. Dort ritt etwa in gleicher Höhe mit ihnen eine größere Anzahl Reiter, die offenbar das gleiche Ziel hatten. Ohne ein Wort gaben die vier ihren Pferden die Sporen und jagten über die Ebene. Vor ihnen wurden bereits die Gebäude der Farm sichtbar. Jetzt bemerkten die Tramps, wen sie vor sich hatten. Sie teilten ihre Streitmacht auf. Ein kleinerer Trupp ritt nach links hinüber, um den vier Reitern den Weg abzuschneiden, die Hauptmacht unter dem Cornel verlangsamte ihr Tempo, um ein Ausbrechen nach rechts zu verhindern. Immer näher rückten die Verfolger auf. Bis zur Farm war es noch ein gutes Stück. Old Shatterhand befahl seinen Freunden weiterzureiten, zügelte seinen Rappen und hob den Henrystutzen. Drei Schüsse krachten und drei herrenlose Pferde brachen seitwärts aus. Ruhig steckte der Westmann sein Gewehr wieder in das Holster zurück und jagte den anderen nach.
Auf der Farm war man bereits auf die Ankömmlinge aufmerksam geworden. Der Lärm der Schüsse war weithin über die Ebene zu hören. Schon wurden alle Schießscharten besetzt. Knechte hielten sich bereit, sofort das Bohlentor zu öffnen, wenn die Flüchtlinge herankamen. Der schwere Querbalken wurde weggehoben und die Torflügel aufgestoßen. Old Shatterhand Fred Engel, Sam Hawkens und der Gunstick-Uncle jagten in den Hof. Sofort schlossen die Knechte das Tor wenige Meter vor den Verfolgern. Im gleichen Augenblick wurde aus den Schießscharten das Feuer auf die Banditen eröffnet. Old Shatterhand war ebenfalls an die Palisaden geeilt und beteiligte sich an der Verteidigung. Nach schweren Verlusten mußte der Cornel einsehen, daß er diese Befestigung nicht im Sturm nehmen konnte. Aber er hatte Zeit. Notfalls würde er die Farm aushungern. Er befahl abzusitzen und zu lagern.
»Willkommen auf Butlers Farm«, empfing Mrs. Butler die Neuankömmlinge. Sie war eine resolute, herzliche Frau, Herrin über die große Farm, seit ihr Mann bei einem Indianerüberfall ums Leben gekommen war. Freundlich schüttelte sie Old Shatterhand die Hand. »Das habe ich mir schon lange gewünscht, einmal ein paar richtige Westmänner kennenzulernen.«
Dann wandte sie sich an Sam Hawkens. »Ihr seid doch Mr. Hawkens, wenn ich mich nicht irre, hihihi«, sagte sie mit leisem Spott in der Stimme. Sam blieb vor Erstaunen der Mund offenstehen, während Mrs. Butler Gunstick-Uncle begrüßte: »Und dieser Held, der vor mir steht, ist Gunstick-Uncle, der Poet.« Geschmeichelt machte der Uncle einen altmodischen Kratzfuß und dichtete ebenfalls aus dem Stegreif: »Wenn eine schöne Frau mich lobt, Freude in meinem Busen tobt, dann will ich gern auf Ruhm verzichten . . . « Lachend fiel Mrs. Butler ihm ins Wort: »Und heute nicht mehr weiterdichten.«
Ihr Blick fiel auf Fred, der etwas abseits stand und seinen Colt nachlud. »Na, Fred, das war ziemlich knapp heute. Wo ist denn dein Vater?« Fred schob den Revolver ins Halfter. Er versuchte seiner Stimme Festigkeit zu geben. »Vater ist tot«, sagte er kurz. »Er wurde auf der Fahrt nach Tulsa ermordet. Daran war dieser verfluchte Plan schuld.« Mrs. Butler senkte mitfühlend den Kopf. »Wo ist Ellen?« erkundigte sich der junge Mann. »Sie ist heute morgen mit ihrem Vater zum Fischen an den Black Bear River geritten. Sie müssen jetzt bald . . .« Erschrocken hielt sie inne und blickte mit aufgerissenen Augen auf Old Shatterhand. »Um Gottes willen!« murmelte sie und deutete nach draußen, wo die Tramps lagerten. Wenn die Pattersons nur nicht den Banditen in die Hände fielen!
Ahnungslos ritten Mr. Patterson und seine Tochter Ellen auf die Farm zu. Sie waren gerade durch ein kurzes Waldstück gekommen und hatten nun die Ebene vor sich, als Patterson sein Pferd zügelte. »Tramps, zurück!« raunte er seiner Tochter zu. Vorsichtig wendeten die beiden ihre Pferde, aber es war schon zu spät. Zwei Banditen erhoben sich aus dem Gebüsch, die Gewehre im Anschlag, und befahlen ihnen stehenzubleiben. »Wer seid ihr und was wollt ihr?« erkundigte sich einer der Banditen. »Ich heiße Patterson, und dies ist meine Tochter.« Erstaunt horchte der Bandit auf. »Patterson? Sieh einer an, das erspart uns aber viel Mühe. Hol den Cornel!« fuhr er den anderen an. »Was soll das heißen?« wagte Patterson einzuwerfen. »Halt dein Maul und rede, wenn du gefragt wirst«, fauchte der Bandit.
Von der Farm aus beobachtete Old Shatterhand die ganze Szene durch das Fernglas. Die beiden Gefangenen wurden vor den Cornel gebracht. Patterson war an den Händen gefesselt. Stolz erwartete er das Verhör. Lange musterte der Cornel den Mann und fragte dann scharf: »Wo ist der Plan?« Patterson versuchte sein Erschrecken zu verbergen. »Ich weiß nicht, wovon Ihr redet«, erklärte er abweisend. Langsam zog der Cornel die eine Planhälfte aus der Tasche, entfaltete sie und zeigte sie Patterson. »So! Wißt Ihr es vielleicht jetzt?« - »Woher habt Ihr den Plan? Wo ist Engel was habt Ihr mit dem Mann gemacht? Ihr Mörder!« Mit zwei schnellen Schritten stand der Cornel vor Patterson und schlug ihm mit der geballten Faust ins Gesicht. Ellen schrie verzweifelt auf. »Wo ist die zweite Hälfte des Planes?« fragte der Cornel kalt. »Sag es ihm, Vater, bitte sag es ihm«, rief Ellen, aber Patterson schüttelte verbissen den Kopf. »Legt ihn auf die Erde«, befahl der Cornel wutentbrannt und zog eine lange Lederpeitsche aus dem Gürtel. »Nein«, rief Ellen und drängte zu ihrem Vater. »Der Plan ist auf Butlers Farm!«

Der Cornel jedoch will das Vordringen der anderen verhindern. Er zündet ein Dorf der Utah-Indianer an und erreicht mit diesem teuflischen Plan, dass die Utahs allen Weissen Rache schwören.Winnetou, Old Shatterhand und deren Freunde stehen fassungslos vor dem verbrannten Dorf. Ellen, sich von der Gruppe entfernend, wird von Beobachtern der Bande entführt. Nun triumphiert der Cornel.

Erregt beobachteten die Farminsassen, was sich vor den Palisaden abspielte. Fred, Mrs. Butler und Old Shatterhand standen auf einem der Wachtürme. »Mrs. Butler, gebt mir den Plan!« sagte Fred bestimmt. Mrs. Butler drehte sich erschrocken nach ihm um. »Den Plan?« wiederholte sie ungläubig. »Ja, dem Cornel geht es doch nur darum«, fuhr Fred fort. »Er soll ihn haben, wenn er dafür Ellen und Patterson freiläßt!« Old Shatterhand beobachtete noch immer jede Bewegung im Lager der Tramps. Jetzt schüttelte er bedenklich den Kopf. »Wir können das Leben der beiden nur retten, wenn wir den Plan behalten.« Fred verlor die Nerven. »Ja, soll denn dieser verfluchte Schatz noch uns alle unglücklich machen? Wir haben doch ohne ihn auch gelebt!« Old Shatterhand wollte etwas erwidern, drehte sich aber dann um und schaute durch das Fernglas. »Augenblick«, murmelte er. »Dahinten kommt ein Tramp.«
Die Cowboys unten im Hof hatten den Mann auch schon bemerkt. »Er trägt eine weiße Fahne. Soviel ich sehe, kommt er allein«, stellte Sam Hawkens fest. »Vielleicht will er auch nur sein Hemd bei uns trocknen.« Old Shatterhand kletterte auf eine der Leitern an den Palisaden, bis sein Oberkörper frei über die Befestigung hinausragte. »Was wollt Ihr hier?« fragte er mit lauter Stimme den Tramp, der vor dem Haupttor sein Pferd zügelte. »Ich bringe eine Botschaft von unserem Anführer. Er will die andere Hälfte des Planes, Mais für unsere Pferde und fünftausend Dollar!« - »Sonst nichts?« fragte Old Shatterhand spöttisch. Mißtrauisch schaute der Unterhändler zu ihm auf. »Nein«, versicherte er. »Wenn Ihr die Bedingungen erfüllt, lassen wir die Gefangenen frei und reiten weiter.« - »Und wenn wir es nicht tun?« - »Dann wird die Farm niedergebrannt und beide Gefangene werden aufgehängt, ihr alle auch!« Old Shatterhand versuchte, Zeit zu gewinnen. »Ich kann die Angelegenheit nicht allein entscheiden«, erklärte er gelassen, ohne auf die wütenden Gesten des Banditen zu achten. »Wir brauchen zwei Stunden Bedenkzeit.« Der Tramp machte kehrt und galoppierte zum Lager zurück.
In der Nähe eines Gebüsches am Rand des Lagers waren Ellen und Mr. Patterson am Boden sitzend an Pfählen festgebunden. »Vater, was werden sie mit uns tun?« flüsterte Ellen ängstlich. »Mrs. Butler gibt ihnen ganz bestimmt den Plan, und dann werden wir freigelassen«, versuchte Patterson sie zu trösten. Der Cornel erhob sich vom Lagerfeuer und kam auf sie zu. »Niemand von den Leuten darf an die beiden herankommen, niemand redet mit ihnen«, befahl er dem Wächter. »Beim geringsten Fluchtversuch werden sie erschossen.« Einige Meter vor den beiden Gefangenen blieb er stehen und sagte höhnisch: »Zwei Stunden Bedenkzeit! Schöne Freunde habt ihr. Denen ist anscheinend dieser Fetzen Leder wichtiger als euer Leben.« Ellen blickte ängstlich zu ihrem Vater hinüber, der ihr beruhigend zunickte. Inzwischen berieten Old Shatterhand und seine Freunde auf der Farm, wie sie am besten aus dieser mißlichen Lage herauskommen könnten. Fred hielt die lange Warterei nicht mehr aus. Impulsiv sprang er auf und rief: »Es gibt nur eine Lösung! Wir müssen die Tramps angreifen und versuchen . . .« Old Shatterhand schnitt ihm das Wort ab. »Nein, das wäre sinnlos.« - »Immer noch besser, etwas Sinnloses zu tun, als gar nichts!« schrie Fred. »Irgend etwas müssen wir doch unternehmen, wir können sie doch nicht im, Stich lassen.« Old Shatterhand schüttelte abweisend den Kopf. »Nein, mein Junge, die Tramps können jeden unserer Schritte genau beobachten.«
»Nicht jeden«, mischte sich Mrs. Butler in die Unterhaltung. Verwundert schaute Old Shatterhand sie an. »Kommt mit«, befahl die Hausherrin und führte sie hinaus in die Mitte des Hofes zu dem großen Ziehbrunnen. Fred mußte eine Fackel anzünden und damit in den runden Schacht hineinleuchten. »Mein Mann hat damals einen Gang anlegen lassen, als letzten Fluchtweg bei Überfällen. Der Einstieg zu dem unterirdischen Gang ist knapp ein Fuß über dem Wasserspiegel, je nachdem wieviel es geregnet hat. Der Gang endet in einem Gebüsch hinter dem Wall, wo jetzt die Tramps lagern.«
Ohne ein weiteres Wort kletterten Old Shatterhand und Fred über den Brunnenrand und stiegen die eisernen Krampen hinunter, die in die Wand eingelassen waren. Als sie ein Stück geklettert waren, tat sich vor ihnen die Öffnung des unterirdischen Gangs auf. Kühle, abgestandene Luft schlug ihnen entgegen, als sie den Gang betraten.
Inzwischen hatte das verbrecherische Gehirn des Cornels einen teuflischen Plan ausgeheckt. Die Tramps trugen alle ihre Decken und Schlafunterlagen zusammen, schichteten immer mehrere übereinander und rollten sie zu festen, etwa einen Meter hohen Walzen zusammen. Sie sollten als Schutz vor den Kugeln der Verteidiger bis an die Farm herangerollt werden. In ihrer Deckung konnten die Banditen bis an die Palisaden herankommen.
Die Tramps waren zu sehr damit beschäftigt, Vorbereitungen für den bevorstehenden Angriff auf die Farm zu treffen, als daß sie die beiden Männer bemerkt hätten, die aus dem verlassenen Stollen außerhalb ihres Lagerplatzes auftauchten und blitzschnell im Gebüsch verschwanden, vor dem Patterson und seine Tochter an Pfähle gefesselt waren. Vorsichtig richtete sich Old Shatterhand auf, bedeutete Fred, keinen Laut von sich zu geben, und huschte zu den Gefangenen, um sie loszuschneiden. Der Wachtposten hatte sich entfernt, denn gerade tauchte eine bemerkenswerte Gestalt im Lager auf.
Lord Castlepool jagte mitten unter die Banditen, ein riesiges Schmetterlingsnetz in der Hand. Johlend fielen die Banditen seinem Pferd in die Zügel. Entrüstet rückte Castlepool seinen Tropenhelm zurecht. »Aber meine Herren - Jetzt ist der Schmetterling weg«, sagte er vorwurfsvoll. Der Cornel pflanzte sich breitbeinig vor ihm auf. »Verschwindet von hier, aber etwas plötzlich!« rief er drohend. Der Lord ließ sich keineswegs einschüchtern. Sein ausgestreckter Zeigefinger fuhr in die Luft. »Erlaubt mal«, widersprach er unerschrocken, »ich diene der Wissenschaft, und was tut ihr?« Der Cornel hatte keinen Sinn für Humor. Er zog den Colt. »Verschwindet, habe ich gesagt.«

Ellen zu Hilfe eilend stellt sich Fred freiwillig der Bande. Er verspricht, die Banditen zum Silbersee zu führen, um somit seine und Ellens Freiheit zu erkaufen.In der Meinung, dass Old Shatterhand und seine Freunde das Dorf angezündet haben, nehmen die Utahs unter der Führung ihres Häuptlings Grosser Wolf die kleine Expedition gefangen.

Lord Castlepool deutete auf die Waffe. »Soll das etwa eine Drohung sein?« erkundigte er sich interessiert. Ein Schuß krachte, und unter dem Gelächter der Banditen sah der Lord seinen weißen Tropenhelm zum zweiten Mal durchbohrt auf die Erde segeln. Wütend stieg er vom Pferd, hob seine Kopfbedeckung auf und wischte sorgfältig den Staub ab. »Schon wieder ein Loch im Hut! Ich finde diese Manieren empörend!« Und mit einem unsicheren Blick auf den Colt des Cornels fuhr er fort: »Schon gut, schon gut, ich weiche der Gewalt.« Er nahm sein Pferd am Zügel. »Komm, Herakles, wir gehen!« Das Gelächter der Tramps begleitete ihn aus dem Lager. Der Cornel rief seine Leute zusammen und ließ alles für den Überfall auf die Farm vorbereiten.
Old Shatterhand hatte diese Ablenkung genützt. Gerade half er Ellen und Mr. Patterson aus dem Brunnenschacht im Farmhof. Mrs. Butler atmete erleichtert auf, als sie alle wohlbehalten ins Wohnzimmer führen konnte. Sam Hawkens zog schnuppernd die Luft ein und schaute zum Fenster hinaus. » Jetzt geht es bald los, wenn ich mich nicht irre. Ich rieche das: Sobald die Schufte näher kommen, werden sie aufs Korn genommen, nach der Reihe anvisiert und zur Hölle expediert«, dichtete er frei nach Gunstick-Uncle, was ihm einen strafenden Blick des Langen einbrachte.
Wutentbrannt hatte der Cornel den Wächter ausgepeitscht, als er die Flucht der beiden Gefangenen bemerkte. Er schwor sich, die Farm unter allen Umständen einzunehmen. Wenig später ließ er aufsitzen. Mit donnernden Hufen jagte die Streitmacht der Banditen über die Ebene auf die Farm zu. Aus den Schießscharten der Palisaden schlug ihnen schon heftiges Gewehrfeuer entgegen, als der Cornel befahl, die Deckenballen loszumachen. Zehn Männer fanden hinter den Rollen Deckung. Sie sollten in gerader Linie auf das Haupttor zugewälzt werden, für das die Banditen Brandfackeln bereit hielten. Die anderen Reiter wurden in zwei Gruppen aufgeteilt. Die eine Gruppe sollte von links, die andere von rechts die Verteidiger in Atem halten.
Die beiden Abteilungen ritten los. Die zehn Tramps, hinter den Deckenrollen geschützt vor dem Beschuß, arbeiteten sich immer näher an die Farm heran. Wirkungslos blieben alle Kugeln in den Decken stecken. Jetzt warfen die Banditen ihre Brandfackeln. Es dauerte nicht lange, bis das trockene Holz der Palisaden und des Tors in Flammen stand. Die Verteidiger kamen kaum zum Löschen, denn sobald eine Lücke in der Verteidigungslinie bemerkbar wurde, begann der Cornel mit seiner Reiterei einen konzentrierten Angriff. Die Frauen auf der Farm beteiligten sich eifrig an den Löscharbeiten und halfen den Männern, die Gewehre nachzuladen und Munition heranzuschaffen. Old Shatterhand sah ein, daß man das Haupttor verlorengeben mußte, es stand schon in hellen Flammen. Fred kletterte wie ein Artist auf dem Dach des Hauptgebäudes herum und löschte mit nassen Decken die dort aufgetroffenen Brandfackeln. Die Lage der Farm schien aussichtslos.
Von außen donnerten jetzt Schläge gegen das Haupttor. Mrs. Butler schrie gellend auf, als zwei Banditen die Palisaden überkletterten. Geistesgegenwärtig schoß Old Shatterhand einen der Tramps herunter. Einen Augenblick später stürzte das brennende Tor in sich zusammen und gab dem Cornel und seiner Horde den Weg frei. Die Verteidiger wurden zurückgedrängt. Ein unerbittlicher Kampf Mann gegen Mann begann.
Aber da mischte sich ein anderes, fremdes Geräusch in den Kampflärm: der Kriegsruf der Osagen. In breiter Front galoppierten die Indianer über die Prärie, eine weite Staubfahne kennzeichnete ihren Weg von den Bergen her. An ihrer Spitze ritt Winnetou. Bald übertönte ihr gellender Kriegsruf alles. Die Tramps sprangen auf ihre Pferde. Der furchtsame Schrei: »Die Indianer kommen!«, breitete sich in Windeseile aus. Unter der Führung des Cornels jagten die Banditen aus dem Farmhof und schwenkten in die Prärie ein. Aber die Osagen schnitten ihnen den Weg ab. Nur wenigen Banditen gelang es, sich in die offene Prärie durchzuschlagen, unter ihnen der Cornel und seine engsten Anhänger.
Kaum hatten die Banditen den Hof verlassen, da sprang Fred auf ein Pferd und jagte hinter ihnen her. Er durfte den Cornel, den Mörder seines Vaters, nicht entkommen lassen. Fred war bald hinter ihm und holte immer mehr auf. Der Bandit ritt allein vor ihm, er war von seinen Leuten getrennt worden. Im vollen Galopp hob Fred das Gewehr und drückte ab. Der Gaul des Cornels stürzte und überschlug sich. Fred sprang vom Pferd aus auf seinen Todfeind. Es begann ein grausames Ringen auf Leben und Tod zwischen den beiden Männern. Fred hatte den Vorteil größerer Jugend und Schnelligkeit, den der Cornel aber durch seine größere Erfahrung im Kampf geschickt auszugleichen verstand.
Mit einem Dolch bewaffnet, drang der Verbrecher auf Fred ein. Als der Junge einen vorgetäuschten Stich parieren wollte, trat ihn der Cornel mit voller Wucht in den Leib. Fred taumelte zurück und stürzte zu Boden. Der Bandit war sofort über ihm. Aber Fred hatte instinktiv die Beine an den Leib gezogen, und als der Cornel sich auf ihn fallen lassen wollte, schleuderte er ihn mit den Füßen über sich hinweg auf die Erde. Fred war sofort wieder auf den Beinen. Der Cornel versuchte aufzuspringen, als Freds Fuß gegen seine Hand stieß, daß das Messer in weitem Bogen ins Gras fiel. Da krachte ein Schuß. Eine Kugel pfiff haarscharf an Freds Ohr vorbei. Geistesgegenwärtig warf sich der Junge flach auf den Boden. Er sah noch, wie der Cornel aufsprang und ein Pferd bestieg, das einer der anderen Banditen für ihn bereit hielt. Er wollte dem Mörder nachsetzen, aber ein Schuß zwang ihn wieder in Deckung. Ohnmächtig vor Wut mußte er zusehen, wie sein Todfeind entkam.
Ellen Patterson stand vor dem zerstörten Farmtor und hielt ängstlich nach Fred Ausschau. Old Shatterhand verabschiedete sich von dem Osagen-Häuptling und bedankte sich für seine Hilfe. Dann saßen die Indianer auf und ritten geschlossen aus dem Hof. Wenig später kam Fred zurück. Mit gesenktem Kopf ging er zu Old Shatterhand und Winnetou hinüber und sagte leise: »Der Cornel ist entkommen.«

Old Shatterhand und seine Freunde gelangen in das Dorf der Utahs. Noch weiss niemand, was mit den Weissen geschehen wird.Old Shatterhand und Patterson sorgen sich um Ellen und Fred, denn man wollte vor der Bande am Silbersee sein.

Im Wohnzimmer von Butlers Farm fand eine Lagebesprechung statt. Patterson hatte die eine Planhälfte von Fred Engels Vater aus dem Kopf nachgezeichnet. Er legte den nunmehr vollständigen Plan auf den großen eichenen Tisch. »Wenn also der Silbersee, wie wir annehmen dürfen, tatsächlich irgendwo im Felsengebirge von Utah liegt, dann muß auch dieser Plan hier genau stimmen«, erklärte er und warf einen raschen Blick auf Old Shatterhand, Winnetou und Sam Hawkens, die seinen Ausführungen gespannt folgten. »Das hier, diese Zeichnung am linken Rand, stellt einen Büffel dar, der an einem weißen Block leckt.« Winnetou nickte. »Das stimmt. Es ist das indianische Zeichen für Salzwasser.« Patterson erläuterte den Plan weiter. Der Weg würde durch den Geistercanon und durch das Gebiet der Utahs führen. »Dieser Indianerzeichnung nach scheint der Silbersee von steilen Felswänden umgeben zu sein«, erklärte Patterson. »An zwei Stellen ist er durch stufenförmige steinerne Barrieren unterteilt, über die das Wasser in Kaskaden hinabstürzt.« - »Der Silberkranz der Kaskaden gab dem See seinen Namen«, warf Winnetou ein. »Und über diesem See befindet sich eine Höhle.« Patterson nickte eifrig. »Stimmt, und in dieser Höhle liegt der Schatz.«
Fred ging mit schweren Schritten im Stall auf und ab. Ellen leistete ihm Gesellschaft. »Der alte Indianer hat schon recht gehabt«, sagte der junge Mann dumpf. »Dieser verfluchte Schatz bringt nur Unglück. Um ein Haar wäre es euch genauso gegangen wie meinem Vater.« Ellen ging zu ihm hinüber und versuchte ihn zu trösten. »Gerade dein Vater, der nie einem Menschen etwas getan hat.« Heftig fiel Fred ihr ins Wort. »An das Märchen habe ich auch einmal geglaubt, daß das Gute belohnt und das Böse bestraft wird.« Erschrocken über die Veränderung, die mit Fred in dieser kurzen Zeit vor sich gegangen war, starrte das Mädchen ihn an. »Die Anständigen zahlen immer drauf«, behauptete Fred hartnäckig. »Aber diesmal nicht, das verspreche ich dir. Ich werde meinen Vater rächen, und wenn ich selbst dabei vor die Hunde gehe!«
Ellen packte ihn am Arm und gebot ihm zu schweigen. »Bitte Fred, hör auf. Ich kann dich so gut verstehen, ich weiß auch, wie furchtbar das alles für dich ist, aber . . .« In verändertem Ton schnitt Fred ihr das Wort ab. »Ich kann mich nicht einfach damit abfinden, Ellen«, sagte er, und als Ellen die Tränen in die Augen stiegen, drehte er sie zart zu sich herum. »Versteh mich doch.« Weinend lehnte das Mädchen seinen Kopf an Freds Schulter. Fred streichelte ihr über das Haar, unbeholfen, er wußte nicht, wie er sie trösten sollte. »Ellen«, stammelte er ratlos. »Ellen.« Mit tränenfeuchten Augen schaute das Mädchen zu ihm auf. »Ich habe Angst um dich«, flüsterte es. »Du bist so bitter geworden, in dir ist so viel Haß, daß kein Platz mehr da ist für . . .« Sie stockte und senkte wieder den Blick. Fred drückte sie an sich. »Doch, Ellen«, murmelte er. »Für dich ist immer Platz.«
Im Wohnzimmer war die Beratung inzwischen weitergegangen. Patterson legte die beiden Planhälften sorgfältig zusammen und steckte sie in die Brusttasche. » Ja, meine Tochter kommt mit mir zum Silbersee. Es war Erik Engels und auch mein Wunsch, den Schatz zu suchen. Und wenn ich ehrlich bin, muß ich sagen, daß ich diesen einmal gefaßten Entschluß auch nicht aufgeben möchte.« Als Fred und Ellen den Raum betraten, sagte Old Shatterhand mit einem Blick auf den jungen Mann: »Ich habe Fred versprochen, ihm zu helfen, seinen Vater zu rächen. Darum denke ich, Mr. Patterson, wir reiten von jetzt an zusammen.« Patterson wiegte nachdenklich den Kopf. »Ihr glaubt also, daß der Cornel mich verfolgen wird?« Old Shatterhand bestätigte es. »Winnetou kennt die Jagdgründe der Utahs genau, er wird uns führen«, sagte der Jäger. Der Apatsche neigte zum Zeichen der Zustimmung den Kopf. Mrs. Butler deutete lachend auf Sam. »Und natürlich reitet der alte Sam Hawkens auch mit.« Der kleine Westmann nickte verschmitzt. »Ein junger Mann wird doch immer gebraucht«, verkündete er strahlend. Gunstick-Uncle wollte nicht zurückstehen und brachte zum Abschied ein Gedicht an: »Ich bleib hier nicht alleine, ich mach mich auf die Beine und helf den Schatz zu finden, das wollt' ich nur verkünden!«
Müde und zerschlagen schleppte sich die zusammengeschmolzene Bande des Cornels den Bergen entgegen. Es war kaum ein Mann dabei, der nicht irgendeine Verwundung davongetragen hatte. Der Cornel gab das Zeichen zum Halt. Erleichtert ließen sich die Männer von den Pferden gleiten. »Cornel, seht Euch die Kerle an«, gab der Unterführer Hilton zu bedenken, der ebenso wie der Kurpfuscher Hartley heil davongekommen war. »Mit den Jammergestalten ist nicht mehr viel anzufangen. Und ohne den Plan finden wir den Silbersee sowieso nicht.« Schweigend hatte der Cornel zugehört. Er wollte den Schatz um keinen Preis der Welt aufgeben. »In den nächsten Tagen kommt Shuyler mit 60 Mann nach Eldoro.« Gleichmütig fuhr der Cornel fort: »Hartley soll hinreiten und auf ihn warten.« - »Aber in der Zwischenzeit ist dieser Patterson längst am Silbersee«, gab Hartley zu bedenken. »Das müssen wir doch irgendwie verhindern können.« - »Das werden wir auch verhindern«, prophezeite der Cornel.
Old Shatterhand und seine Freunde waren noch am gleichen Tag von der Farm aufgebrochen. Die Nacht hatten sie auf der freien Prärie verbracht. An der Spitze des kleinen Zuges ritten Old Shatterhand und Winnetou, dann kamen die Pattersons und Fred, und den Schluß bildeten Sam Hawkens und Gunstick-Uncle. Winnetou war etwa zehn Meter vorausgeritten, als er hinter einer Bodensenke den Arm hob. Die Reiter zügelten ihre Pferde und blickten gespannt in die vom Apatschen angegebene Richtung. Wieder einmal tauchte die weißgekleidete Gestalt Lord Castlepools auf. Mit einem Netz in der Hand und einer Botanisiertrommel auf dem Rücken rannte er hinter einem Schmetterling her. Er war so beschäftigt, daß er die Ankunft der Reiter gar nicht bemerkte. Er bemerkte auch den großen Stein nicht, der im Gras verborgen lag, stolperte und fiel der Länge nach zu Boden. Erst das laute Gelächter des Gunstick-Uncles machte ihn auf die Ankömmlinge aufmerksam. Würdevoll erhob er sich, setzte seinen Tropenhelm wieder auf und sagte: »Was gibt es denn da zu lachen? Man fängt einen »Papilio polymnestor parinda« meistens nur einmal im Leben.«

Der Rat der Utahs beschliesst das Gottesurteil: Old Shatterhand soll mit dem Häuptling der Utahs kämpfen.Der Sieger soll leben, der Verlierer soll sterben.

»Das glaube ich Euch schon«, unterbrach ihn Old Shatterhand. »Aber wenn Ihr Wert darauf legt, am Leben zu bleiben, würde ich Euch raten, vorsichtiger zu sein. Es treibt sich hier allerhand Mordgesindel herum.« Der Lord ließ sich nicht einschüchtern. »Ich besitze ein schnelles Pferd und ein gutes Gewehr«, erklärte er selbstsicher. Mit einem Blick auf Ellen fuhr er fort, indem er höflich seinen durchlöcherten Tropenhelm lüftete: »Übrigens, mein Name ist Harold James Angus Lord Castlepool.« Spöttisch lüftete Sam Hawkens seine Perücke und verbeugte sich. »Sam Hawkens, Lord of Whisky and Soda«, stellte er sich mit todernster Miene vor. Dann deutete er galant auf die anderen: »Old Shatterhand und Winnetou, Häuptling der Apatschen.«
Der Lord war erfreut, diese beiden Männer kennenzulernen. Sam Hawkens gab die Neckerei noch nicht so schnell auf. Er ließ sich den Klepper und das nagelneue englische Gewehr des Lords zeigen. »Könnt Ihr denn damit auch schießen?« fragte er spöttisch. Der Lord richtete den Lauf der Büchse gegen den Himmel und drückte scheinbar ohne Ziel ab. Sam schüttelte den Kopf. »Ich meinte, nicht nur so einfach in die Luft schießen, Mylord, ich meinte, treffen.« Lord Castlepool verstaute sein Gewehr wieder im Holster. »Warten wir es ab«, sagte er lächelnd. Im selben Augenblick fiel ein toter Geier vor Sam auf die Erde. Ungläubig schaute der Kleine zum Himmel hinauf und dann auf den Lord, der sich unbeteiligt an seinem Pferd zu schaffen machte. Old Shatterhand ließ sich von der Schießkunst des merkwürdigen Mannes nicht beeindrucken. »Es ist trotzdem besser, Ihr reitet mit uns.« Lord Castlepool strahlte. »Danke, Sir!« rief er und grüßte soldatisch. »Das ist eine große Ehre für mich.«
Nach einem halben Tag ritten die Schatzsucher in das Gebiet der Utahs ein. Mit gerunzelter Stirn deutete Winnetou auf eine Rauchsäule, die kerzengerade in den Himmel stieg. »Ein Lagerfeuer«, sagte Ellen. Old Shatterhand schüttelte ernst den Kopf. »Das ist kein Lagerfeuer, das ist der Rauch des Todes.« Als sie näher heranritten, bot sich ihnen ein Bild des Grauens. In sinnloser Zerstörungswut war ein ganzes Indianerdorf vernichtet worden. Aller Hausrat war zerschlagen, die Zelte niedergerissen und verbrannt. Einzelne Zeltstangen ragten noch verkohlt in den Himmel. Die Totempfähle waren umgeworfen worden, an einem Pfahl war ein toter Indianer festgebunden. Über dem zerstörten Dorf kreisten die Geier.
Winnetou und Old Shatterhand untersuchten die Hufeindrücke, die die Pferde der Mörder vor dem Dorf hinterlassen hatten. »Das war der Cornel mit seinen Leuten«, sagte der Westmann leise. »Sie haben alles Leben im Dorf ausgelöscht. Aber ich sehe keine Krieger unter den Toten.« - »Die Männer waren auf Büffeljagd.« In diesem Augenblick ertönte hinter ihnen das Kriegsgeschrei der Utahs. Die Männer gingen hinter den Resten der verkohlten Lederbekleidung in Deckung. Ellen saß immer noch auf dem Pferd. Ein Pfeil zischte heran und bohrte sich vor ihr in das Sattelhorn. Ihr Pferd bäumte sich auf und brach durch die Reihen der Indianer auf die offene Prärie aus. Fred wollte Ellen zu Hilfe eilen, wurde aber von der stumpfen Seite eines Tomahawks an den Kopf getroffen und stürzte. Old Shatterhand zog den Bewußtlosen in Deckung. Die Utahs hatten die Weißen eingeschlossen und ritten im Kreis um sie herum. Das Todeskarussell der Indianer drehte sich, und bei jeder Umdrehung wurde der Kreis enger. »Wir waren es nicht, die euer Dorf zerstört haben«, schrie Old Shatterhand, aber ein Pfeilhagel zwang ihn wieder in Deckung.
Zwei Utahs verfolgten Ellen, die ihr Pferd noch immer nicht unter Kontrolle hatte. Einer der Krieger spannte schon den Bogen, als aus einem nahen Gebüsch ein Schuß krachte und ihn aus dem Sattel riß. Der zweite Indianer machte kehrt und jagte zurück. Mit zitternden Flanken war Ellens Pferd zum Stehen gekommen. Erstaunt schaute sie sich nach ihrem Retter um. Das Gebüsch teilte sich und gab den Cornel frei. »Ich habe das untrügliche Gefühl, daß wir uns schon kennen«, sagte er höhnisch und zog den Hut.
Old Shatterhand hatte den Befehl gegeben, nur auf die Pferde zu schießen. Ein Tier nach dem anderen stürzte. Der Anführer der Indianer sah ein, daß sie die Weißen nicht überwältigen konnten. Er rief einen Befehl. Gleich darauf waren die Utahs genauso schnell verschwunden, wie sie gekommen waren. Jetzt erst bemerkten die Weißen, daß Ellen fehlte. Sie folgten den Spuren ihres Tieres und stießen bald auf die Leiche des Indianers, der das Mädchen verfolgt hatte. Old Shatterhand erkannte sofort, daß nur die Tramps Ellen entführt haben konnten. Als Winnetou den gleichen Stiefelabdruck fand wie beim Überfall auf die Postkutsche, sah er diese Ansicht bestätigt. Sie saßen auf und folgten der Spur. Auf einen Baumast gespießt, gut sichtbar für Vorüberreitende, fanden sie einen Zettel, den der Cornel unterschrieben hatte. »Bringt den Plan nach Eldoro, oder Ellen Patterson wird sterben.«
Fred wurde bleich, als er die Nachricht las. »Wir müssen sofort hinreiten«, rief er aufgeregt. Old Shatterhand schüttelte den Kopf. »Nein, das können wir nicht. Eldoro ist der Treffpunkt aller Tramps im mittleren Westen. Niemand weiß, wie viele sich jetzt dort aufhalten.« - »Ganz gleich, wie viele es sind, wir müssen sie befreien«, warf Patterson ein. Das Leben seiner Tochter stand auf dem Spiel. Nachdenklich stützte Old Shatterhand sich auf seinen Sattelknopf und überlegte. »Dann gibt es nur eine Möglichkeit«, sagte er langsam. »Habt Ihr den Plan im Kopf?« Als Patterson und Fred dies bejahten, fuhr der Westmann fort: »Das bedeutet, daß ihr auch ohne ihn zum Silbersee kommt. Dann gebt mir Eure Hälfte. Ihr auch, Fred. « Ein wenig verwundert taten die beiden, was er verlangte. »Ihr werdet sofort nach Eldoro reiten«, sagte er zu Fred gewandt. »Winnetou wird alles beobachten und uns berichten, ob der Cornel auf den Vorschlag eingeht, den ich Euch jetzt machen werde.«

Der bärenstarke Häuptling ist ein ebenbürtiger Gegner für Old Shatterhand.Old Shatterhand kommt zu Fall. Mit letzter Kraft besiegt er seinen Gegner, schont jedoch dessen Leben.

Mittlerweile war der Cornel mit dem Rest seiner Leute und seiner Gefangenen in Eldoro eingetroffen. Mit lautem Hallo wurde er von Hartley begrüßt, der ihm sofort mitteilte, daß Shuyler mit seiner Bande erst in einer Woche eintreffen werde. Der Cornel war zufrieden damit. Er teilte nicht gern die Beute, außerdem besaß er in Ellen ein viel wirksameres Druckmittel, als Shuylers Banditen es jemals sein konnten. Ellen wurde vom Pferd gehoben und in eine leerstehende Kapelle gesperrt. Der Cornel wandte sich an seine Leute, die sich schon gelagert hatten. »Hört mal zu: Wir müssen vielleicht schon heute, spätestens morgen weiterreiten.«
Ellen zog sich an dem vergitterten Fenster der Kapelle hoch und warf einen Blick auf den freien Platz davor. Sie hörte, wie der Cornel seinen Leuten Beteiligung an dem sagenhaften Schatz im Silbersee versprach. Die Banditen, die kurz zuvor einige Tage Ruhe gefordert hatten, stimmten plötzlich Hurrarufe an und ließen ihren Boß hochleben.
Ein Reiter näherte sich Eldoro: Fred Engel auf der Suche nach Ellen. Einer der Banditen hob das Gewehr und zielte auf den Ankommenden, aber der Cornel stieß ihm die Waffe aus der Hand. Der Schuß löste sich, richtete aber kein Unheil an. »Du Narr«, fauchte der Banditenboß, »das ist doch der Mann, auf den ich warte!« Fred zügelte sein Pferd, saß ab und stellte sich ruhig dem Cornel gegenüber. Der Bandit legte die Hand auf den Kolben seines Colts. »Was wollt Ihr?« fragte er kurz. »Ich möchte Euch einen Tausch vorschlagen«, erklärte Fred ruhig. »Den Schatz im Silbersee gegen das Leben des Mädchens.« Höhnisch zog der Cornel seinen Colt und richtete ihn auf Fred. »Das wäre ein schlechter Tausch für mich«, sagte er, und machte einen Schritt auf Fred zu. »Ich habe ja jetzt beides. Durchsucht ihn!«
Ruhig ließ Fred sich die Durchsuchung gefallen. »Ich besitze den Plan nicht mehr. Patterson trug ihn bei sich, als uns die Utahs überfielen, die ihr auf uns gehetzt habt.« Mit gesenktem Kopf fuhr er fort: »Ich bin als einziger am Leben geblieben.« Der Cornel schien Freds Darstellung keinen Glauben zu schenken. »Mir entkommst du nicht«, sagte er. »Wenn du dich entschließt, die Wahrheit zu sagen, dann laß es mich wissen. Sperrt ihn ein!« Zwei Banditen packten den jungen Mann. Aber Fred riß sich mit einem Ruck los. »Ich brauche den Plan nicht, denn ich kenne den Weg. Ich werde Euch zum Silbersee führen, aber dafür müßt Ihr Ellen Patterson freigeben.«
Der Cornel musterte Fred nachdenklich. Schließlich nickte er. »Gut! Wir reiten in einer Stunde.« Er drehte sich um und ging zu den Pferden. Fred hielt ihn am Arm zurück. »Wo ist Miß Patterson?« Der Cornel gab seinen Leuten einen Wink. »Führt ihn zu ihr. Noch etwas«, fuhr er, zu Fred gewandt, fort, »wenn einer deiner Freunde auftaucht, dann . . .« Mit grausamem Lächeln machte er die Geste des Aufhängens. Als Fred außer Hörweite war, befahl er Hartley, seine Leute ausschwärmen und die Umgebung absuchen zu lassen.
Kaum hatte sich die Tür der Kapelle hinter Fred geschlossen, nahm, er Ellen in seine Arme.
»Hab keine Angst, Ellen«, flüsterte er eindringlich. »Der Cornel wird nur seine Leute mitnehmen zum Silbersee. Mit denen wird Old Shatterhand allein fertig.« - »Aber er hat uns als Geiseln«, warf das Mädchen ein. »Ich weiß. Darum wird sie Old Shatterhand in eine Falle locken, aber dazu muß er vor uns am Silbersee sein. Wir müssen also alles tun, damit wir nur langsam vorwärts kommen. Old Shatterhand wird mit den anderen den kürzeren Weg durch das Gebiet der Utahs nehmen.«
Noch am gleichen Tag brachen die Tramps auf. Der Cornel ritt mit Ellen und Fred an der Spitze. Fred bemühte sich, alle möglichen Umwege zu erfinden, um Zeit zu gewinnen. Ellen spielte einen Ohnmachtsanfall, aber der Cornel ließ sich nicht beeindrucken. »Die Dame kann sich am Silbersee ausruhen«, schrie er. »Ja, reitet nur weiter«, brüllte Fred zurück. »Ihr werdet schon anhalten, wenn ihr nicht mehr wißt, wie es weitergeht.« Wütend biß sich der Cornel auf die Lippen. Sein Gesicht war blaß vor ohnmächtigem Zorn. Aber er durfte sich zu keiner Unvorsichtigkeit hinreißen lassen. Widerwillig ließ er absitzen und lagern.
Im Gebiet der Utahs schlugen Old Shatterhand und seine Freunde ihr erstes Nachtlager auf. Winnetou hatte sich von ihnen getrennt und war nach Eldoro geritten, um auszukundschaften, was die Tramps mit Ellen und Fred vorhatten. Lord Castlepool hatte die erste Wache. Er nahm es keineswegs ernst, als neben ihm ein Utahkrieger auftauchte, und er versuchte ihn zu verscheuchen, wie man ein Huhn fortjagt. Der Indianer hob unbeeindruckt den Tomahawk, um ihn auf den Lord zu schleudern, da faßte die Faust Old Shatterhands das Handgelenk des Roten und riß ihn herum. »Los, auf!« schrie der Westmann den Schläfern zu. »Die Utahs haben uns umzingelt. Der ganze Wald steckt voller Indianer.« Sofort waren alle auf den Beinen. Lord Castlepool beschwerte sich in aller Form über die nächtliche Störung und kletterte hinter den anderen her auf einen Felsen, der seine Umgebung überragte und den Old Shatterhand als Verteidigungsstellung ausgesucht hatte. Von hier aus konnten sie nach allen Seiten schießen.

Im allgemeinen Getümmel gelingt es den Weissen, ungehindert abzuziehen. Man hat viel Zeit verloren und eilt auf schnellstem Wege zum Silbersee.Da tritt wieder eine Verzögerung ein. Ein Unterhäuptling der Utahs schwört Privatrache und verfolgt die Weissen. Winnetou greift zu einer List.

Die unheimliche Stille wurde von einem Eulenruf unterbrochen. Aus dem Gebüsch kam die Stimme Ovuts-avahts, des Großen Wolfs, Häuptling der Utahs. »Die Bleichgesichter sind von meinen Kriegern umringt. Sie mögen sich ergeben.« Old Shatterhand richtete sich ein wenig aus der Deckung auf und antwortete: »Was haben wir den Utahs getan, daß sie uns angreifen?« - »Ihr habt unser Dorf überfallen und unsere Frauen und Kinder erschlagen.« - »Das ist nicht wahr. Wir haben euer Gebiet erst betreten, als euer Dorf schon zerstört war.« Großer Wolf wurde wütend. Deckungslos sprang er auf die freie Lichtung und schrie: »Hier steht Ovuts-avaht, Häuptling der Utahs. Ich sage Euch, Eure Worte sind Lüge!« Old Shatterhand richtete sich ebenfalls auf und sagte stolz: »Hier steht Old Shatterhand, den ihr Pokai-mu nennt. Ich habe noch nie die Unwahrheit gesprochen.« Ein Raunen lief durch die Reihen der Indianer, als sie den berühmten Namen hörten. »Keiner von uns hat den Utahs jemals Unrecht getan.« - »Und warum habt ihr gestern auf uns geschossen?« rief Großer Wolf zu der Felsenbastei hinauf. »Wir mußten uns verteidigen, weil deine Krieger uns angegriffen haben, obwohl wir Freunde der Utahs sind.«
Großer Wolf hatte schweigend zugehört. Jetzt trat er näher an den Felsen heran und rief: »Wenn ihr unsere Freunde seid, dann reitet mit uns in unser Dorf und beugt euch dem Urteil der Alten.« - »Als Freunde?« erkundigte sich Old Shatterhand. »Als Gefangene«, antwortete der Häuptling. »Nein, dann kämpfen wir.« - »Das ist euer Tod.« - »Vielleicht, aber viele deiner Krieger werden mit uns sterben. Denk an mein Zaubergewehr, Häuptling.« Bei den Indianern wurden vereinzelte Schreckensrufe laut. Mit einer herrischen Armbewegung gebot der Häuptling Schweigen. »Versprecht ihr, euch dem Urteil der Alten zu beugen, wie es auch ausfallen wird?« Old Shatterhand nickte zustimmend. »Ja, das tun wir, wenn du versprichst, daß wir als Gäste unsere Waffen behalten dürfen.« Patterson mischte sich aufgeregt ein: »Aber damit verlieren wir doch unseren Vorsprung!« Old Shatterhand bedeutete ihm zu schweigen. Großer Wolf hob den Arm zum Schwur. »Ich gelobe es. Howgh, ich habe gesprochen.«
Eine ganze Schar Indianerkinder erwartete den Zug des Häuptlings mit den fünf Weißen vor den Zelten des Dorfes. Laut lärmend begleiteten sie die Krieger bis zu dem großen Versammlungsplatz, der von spitzen, bunt bemalten Zelten aus Büffelleder umgeben war. Auch hier wurde der Häuptling jubelnd begrüßt. Ohne seine Stammesgenossen eines Blickes zu würdigen, sprang er vom Pferd und sagte herrisch zu den Weißen: »Wartet hier.« Dann verschwand er im großen Beratungszelt. Stumm bildeten die Utahs einen Kreis um die Weißen.
»Wir behalten unsere Pferde bei uns, was immer auch geschieht«, flüsterte Old Shatterhand. Sam Hawkens schaute mißtrauisch um sich. »Hoffentlich haben die schon gefrühstückt«, murmelte er in seinen Bart und beobachtete die Indianer. Großer Wolf kam aus dem Beratungszelt und scheuchte mit einer Handbewegung die Indianer zur Seite. Er führte die Weißen zu einem großen Zelt. »Die weißen Männer mögen sich hier aufhalten. Sie sollen warten, bis die Sonne im Mittag steht und die Alten des Stammes ihr Urteil sprechen.« Mit einem Blick auf die Pferde der Weißen fragte er: »Denkt Old Shatterhand etwa an Flucht?« - »Nein, aber wir sind Gäste und keine Gefangenen. Vergiß das nicht, Häuptling, sonst wird mein Zaubergewehr sprechen.«
Old Shatterhand riß den Henrystutzen hoch. Zehn Schüsse krachten in rascher Folge, in einer weiter entfernten Stange waren zehn Löcher in gleichem Abstand übereinander zu sehen. Mit angstvoll aufgerissenen Augen starrten die Indianer auf das Zaubergewehr. »Hast du die Sprache verstanden, Häuptling?« fragte ihn der Westmann. Unsicher warf Großer Wolf ein: »Ihr habt mir geschworen, daß ihr euch dem Urteil der Alten beugt. Das Urteil wird gesprochen sein, wenn der Schatten des Pfahles die Lanze erreicht hat.« Grimmig rammte er seine federgeschmückte Lanze in den Boden.
Aufgeregt ging Patterson vor dem Zelt auf und ab. » Jetzt haben wir schon zwei Stunden verloren! « Das Dröhnen der großen Trommeln vom Beratungsplatz her ließ ihn aufhorchen. Mit untergeschlagenen Beinen saßen die Alten im Kreis um das Beratungsfeuer in ihre bunten Decken gehüllt. Großer Wolf stand in der Mitte des Platzes. Auf seinen Wink hin verstummten die Trommeln. Die Alten hatten das Urteil gesprochen. Nun reichten sie einem seltsamen Wesen einen weißen Stab: Auf dem Körper eines Menschen, der mit einem zottigen Fell behangen war, saß der Kopf eines Büffels mit den mächtigen kurzen Hörnern. Die Gestalt umtanzte rasselnd und klirrend den Häuptling und gab schließlich den Stab an ihn weiter. Der Häuptling hielt ihn mit beiden Händen über den Kopf und zerbrach ihn.
»Das war der Medizinmann«, erklärte Old Shatterhand Patterson und dem Lord. »Damit haben die Alten dem Häuptling die Vollstreckung des Urteils übertragen.« Vom Beratungsplatz kam Großer Wolf, gefolgt vom Medizinmann, auf die Weißen zu und blieb vor ihnen stehen. »Die Bleichgesichter haben das Blut unserer Frauen und Kinder vergossen. Darum haben wir das Kriegsbeil ausgegraben und geschworen, jedes Bleichgesicht zu töten, das in unsere Hände fällt. Ihr aber sollt die Ehre haben, um euer Leben zu kämpfen. Nicht alle, nur der Tapferste, Old Shatterhand.« Der Westmann nickte. »Und wenn ich Sieger bin, sind dann meine Freunde auch frei?« Stolz hob der Häuptling den Kopf. »Ja, aber du wirst nicht siegen, denn Ovuts-avaht ist dein Gegner.« Als Waffen wurden Tomahawk und Messer gewählt, der Kampf sollte sofort stattfinden.
In der Mitte des Beratungsplatzes war ein Marterpfahl aufgestellt, an dem zwei gleich lange Lassos befestigt waren. Alle Bewohner des Dorfes drängten sich um den Kampfplatz. Auch die Weißen sahen zu. Der Medizinmann reichte den beiden Kämpfern die Waffen. Old Shatterhand untersuchte das Messer, steckte es in den Gürtel und behielt den Tomahawk in der Hand. Großer Wolf ging zu dem eingerammten Pfahl, der von einigen schweren Steinen gehalten wurde. Er bückte sich und hob unter Aufbietung aller Kräfte einen der Felsbrocken bis in Brusthöhe, hielt ihn kurze Zeit dort fest und ließ ihn wieder zu Boden fallen. »Mach es mir nach«, sagte er voller Stolz zu Old Shatterhand. Der Westmann nickte. » Ja, aber wir wollen den Stein nicht hier liegen lassen, er könnte uns beim Kampf stören.« Er suchte einen festen Halt am Stein, hob ihn hoch, als sei er aus Holz und schleuderte ihn einige Meter weit fort bis an den Rand des Platzes. Die Roten, die vorher ihrem Häuptling zugejubelt hatten, schwiegen jetzt betreten. Der Medizinmann band jedem seinen Lasso um die Hüfte, so daß niemand weiter zurückweichen konnte, als es der Lasso erlaubte. Dann verließ er den Kampfplatz. Die Trommeln setzten aus, die beiden Gegner standen sich gegenüber, den Pfahl in ihrer Mitte.

Winnetou lockt die Utahs in einen Canyon. Der herbeieilende Häuptling Grosser Wolf kann kann den Frieden wieder herstellen und schliesst sich Old Shatterhand und Winnetou an.Freds Verzögerungstaktik schlägt fehl. Die Bande erreicht den Silbersee vor Old Shatterhand. Gefesselt müssen Fred und Ellen zusehen, wie die Bande ein Floss baut, um die Höhle mit dem Schatz zu erreichen.

Old Shatterhand reizte seinen Gegner so lange, bis Großer Wolf sich zu unüberlegten Handlungen hinreißen ließ. Er setzte sich sogar auf den Boden, was bei den Indianern als ungeheuere Mißachtung des Gegners galt. Durch ein geschicktes Manöver des Westmanns verlor der Indianer sein Messer und seinen Tomahawk. Er stand Old Shatterhand waffenlos gegenüber. Der Westmann entledigte sich zum Erstaunen der Utahs ebenfalls seiner Waffen. Mit einigen Schritten stand er am Marterpfahl und zog den Häuptling an seinem Lasso unaufhaltsam zu sich heran. Ein Faustschlag streckte Ovuts-avaht schließlich zu Boden. »Wer ist der Sieger?« rief Old Shatterhand und deutete auf den leblos am Boden liegenden Häuptling. »Großer Wolf ist nicht tot. Ich schenke euch sein Leben.« Er band sich los und verließ mit schnellen Schritten den Platz. Vor dem Dorf warteten schon die Gefährten mit den Pferden.
Während die Utahs den Körper ihres Häuptlings ins Zelt trugen, jagten die Freunde in gestrecktem Galopp über die Prärie dem Silbersee entgegen. Es galt kostbare verlorene Zeit aufzuholen. Auf der offenen Prärie stieß Winnetou zu ihnen. Er berichtete, daß der Cornel auf Fred Engels Vorschlag eingegangen und nun schon unterwegs zum Silbersee sei. Winnetou wußte weiter zu berichten, daß vom Dorf der Utahs eine Schar von Kriegern unter der Führung eines ehrgeizigen Unterführers aufgebrochen sei, die ihren Spuren folgte. Patterson drängte zum Aufbruch. »Wenn wir dem Cornel nicht zuvorkommen, ist Ellen verloren, und Fred Engel auch«, rief er außer sich. Winnetou deutete in die Senke unter ihnen. »Dort unten ritten die Indianer schon. Rollender Donner führt sie an. Es sind mehr als dreißig Krieger.« - »Also hat Großer Wolf sein Versprechen gebrochen?« Winnetou schüttelte den Kopf. »Nein. Der Häuptling ist noch nicht wieder ins Leben zurückgekehrt. Zu dem Wortbruch sind sie verleitet worden, weil Rollender Donner sie aufgehetzt hat.«
Ein langer Weg lag noch vor ihnen bis zum Silbersee. Der Cornel hatte schon einen großen Vorsprung, und so kam Winnetou die Idee, Rollenden Donner mit seinen Kriegern in eine Falle zu locken. Der Geistercanon, durch den der Weg zum Silbersee führte, war die richtige Gegend, um die Indianer aufzuhalten. Winnetou machte sich ihnen bemerkbar und galoppierte vor ihnen her. Inzwischen konnten Old Shatterhand und seine Freunde ihren Weg fortsetzen.
Fred Engel führte die Tramps kreuz und quer durch die Schluchten und Täler des Felsengebirges. Wenn sie nach einem Tagesritt wieder am gleichen Ort ankamen, von wo sie am Morgen aufgebrochen waren, redete sich Fred auf die Ungenauigkeiten des Planes heraus. Lange würde der Cornel sich nicht mehr an der Nase herumführen lassen. Fred hoffte, daß Old Shatterhand und seine Freunde in der Zwischenzeit den Silbersee erreicht hatten. Er konnte nicht ahnen, daß sie von den Utahs aufgehalten worden waren.

Der Cornel und seine Kumpanen erreichen die Höhle und überwältigen den Hüter des Schatzes, einen uralten blinden Indianer.Vom Goldrausch befallen bringen sich die Verbrecher gegenseitig um. Auch den Cornel ereilt sein verdientes Schicksal. Der sterbende Indianer löst einen Mechanismus aus, und der Bandit versinkt mit dem Schatz.

Am nächsten Tag erst erreichten Old Shatterhand und die Weißen den Geistercanon. Der Westmann fand noch die Spuren der Tramps von der vergangenen Nacht. Sie durften jetzt keine Minute mehr verlieren. Die Utahs waren nicht mehr weit. Die fünf Weißen schlossen die Schlucht am oberen Ende ab und erwarteten die Indianer. Aber mitten im Angriff krachte im Rücken der Utahs ein Schuß. Rollender Donner stürzte tödlich getroffen vom Pferd und die Stimme Ovuts-avahts ertönte: »Großer Wolf hat den Verräter bestraft. Er wird den Schwur halten. Zwischen den Utahs und ihren Freunden soll das Kriegsbeil begraben sein.«
Der Weg führte die Bande des Cornels immer höher in das Felsengebirge hinauf. Nach einem langen Ritt hatte sie endlich ihr Ziel erreicht. Vor ihnen lag, von hohen Felswänden eingeschlossen, die schimmernde Fläche des Sees, dem die Indianer den Namen Silbersee gegeben hatten. Gischtübersprühte Wasserfälle stürzten mit donnerndem Tosen von den Felsen. Beim Anblick des langersehnten Ziels verlor der Cornel seine kalte Beherrschung. Er gab seinem Pferd die Sporen und jagte durch den einzigen engen Durchlaß zum Seeufer hinunter. Fred, der zusammen mit Ellen immer noch an der Spitze des Zuges ritt, hielt verzweifelt nach einem Zeichen von Old Shatterhand Ausschau.
Die Tramps hatten abgesattelt und ließen ihre Pferde am See trinken. Der Cornel trat jetzt auf Fred zu und fragte drohend: »Wo liegt der Schatz?« Fred zögerte. Warum hatte Old Shatterhand noch nicht eingegriffen? »Ich muß erst nachdenken«, sagte er langsam. Der Cornel zog seinen Revolver und setzte die Mündung Ellen an die Schläfe. »Vielleicht wird das deinem Gedächtnis nachhelfen.« Fred sah ein, daß sein Widerstand sinnlos war. »Auf dem Plan war die Stelle, wo der Schatz liegt, am anderen Ufer des Sees mit einem dunklen Kreis bezeichnet. Es muß eine Grotte oder Höhle im Fels dicht über dem Wasser sein. Dort befindet sich der Schatz.« Der Cornel schaute nachdenklich zum anderen Ufer hinüber. Dann befahl er seinen Leuten, Bäume zu fällen und ein Floß zu bauen.
Fred und Ellen wurden, an Händen und Füßen gefesselt, am Seeufer von einem Tramp bewacht. Der junge Mann nützte eine Unachtsamkeit des Wächters aus und rollte sich ins Wasser. Er wußte, daß die Lederriemen, mit denen er gefesselt war, im Wasser weich werden und nachgeben würden, Nach einigen Minuten ließen sich die Riemen abstreifen. Ihr Wächter hatte sich abgewandt und schaute den anderen Tramps beim Floßbau zu. Wie ein Schatten tauchte Fred hinter ihm auf, preßte seinen Arm um den Hals des Mannes und riß ihn rückwärts zu Boden. Schnell nahm er ihm das Messer weg, kroch zu Ellen zurück und befreite sie von den Fesseln. Dann glitten beide ins Wasser und schwammen unbemerkt davon.
In einer kleinen Bucht tauchten sie wieder auf. Sie wollten ans Ufer klettern, als sich ein Gewehrlauf auf sie richtete und einer der Tramps sie am Ufer in Empfang nahm. Der Cornel ließ beide an einen Baum fesseln und befahl, Fred sofort aufzuhängen, wenn er nicht innerhalb von zwei Stunden aus der Höhle zurückkehrte.
Schnell glitt das Floß mit den vier Banditen über die glatte Oberfläche des Sees. Der Cornel hatte nur seine engsten Vertrauten Hartley, Greg und Hilton mitgenommen. Am anderen Ufer zogen sie das Floß ein Stück an Land. Über ihnen war die dunkle Öffnung einer Grotte erkennbar. Hastig rannten die Männer die Anhöhe hinauf und betraten die Höhle.
»Halt!« sagte eine gebieterische Stimme. Vor ihnen stand ein uralter Indianer, die Hände abwehrend ausgestreckt. Hinter ihm an der Wand brannte eine qualmende Fackel und verbreitete ein ungewisses Licht. Der Cornel konnte sich zuerst von dem starken Eindruck frei machen, den der Indianer auf ihn machte. Als der Alte auf die drängende Frage des Cornels nach dem Schatz nur stumm den Kopf schüttelte, schlug ihn der Bandit jähzornig mit dem Revolverkolben nieder.

Da der Cornel nicht zurückgekehrt ist, will die Bande Fred hängen. Der rechtzeitig herbeigeeilte Old Shatterhand durchschiesst das Seil und rettet somit Freds Leben.Gleichzeitig können Patterson und der Grosse Wolf Ellen befreien, und die Utah-Indianer helfen den Rest der Bande zu vernichten.

Die unersättliche Gier nach dem Goldschatz trieb die Männer tiefer in die Höhle hinein. Die Grotte weitete sich, und dann sahen sie den Schatz. Funkelnde Becher, glänzende Goldbarren und wunderbar gearbeitete Pokale häuften sich hinter einer Steinbarriere auf der anderen Seite eines breiten Felsspaltes. Der Anblick dieser unermeßlichen Reichtümer trieb die Männer in den Wahnsinn. Mit gezückten Messern fielen sie übereinander her, wie wilde Tiere. Keiner gönnte dem anderen auch nur einen Goldbarren. Schließlich erhob sich der Cornel taumelnd. Er blutete aus einer Stirnwunde. Mit einem wilden Blick zog er den Revolver und erschoß Hilton, der sich blutüberströmt zu erheben versuchte. Hartley und Greg hatten sich gegenseitig erstochen. Der Cornel war mit seiner Beute allein.
Der alte Indianer konnte sich noch einmal mühsam aufraffen. Mit letzter Kraft zog er an einer Kette. Ein geheimer Mechanismus wurde ausgelöst, der die Steinbarriere umstürzen ließ. Eine Lawine aus Gold überrollte den Cornel und riß ihn in die Tiefe des Felsspaltes. Ein Morast am Grund der Kluft nahm den Schatz im Silbersee auf und hielt mit zähen, schlammigen Fingern auch den Cornel fest. Immer tiefer sank der Bandit ein. Vergeblich suchte er nach einem Halt an den glatten Felswänden. Sein Schrei verhallte ungehört.
Unruhig warteten die Banditen am Ufer des Sees auf die Rückkehr ihres Anführers. Schließlich beschlossen sie, Fred zu hängen, als die vom Cornel gesetzte Frist von zwei Stunden abgelaufen war. Der junge Mann mußte sich auf einen Felsblock stellen. Die Schlinge wurde schon um seinen Hals gelegt, da erfüllte in letzter Sekunde das Kriegsgeschrei der Utahs den Talkessel. Old Shatterhand und Winnetou hatten den Silbersee gerade noch rechtzeitig erreicht, zusammen mit Ovuts-avaht und seinen Kriegern. Die Indianer ließen sich an Lassos über die Steilwände des Talkessels hinunter. Den Banditen war jeder Fluchtweg abgeschnitten, sie ergaben sich. In der Grotte des Schatzes fanden Old Shatterhand und Winnetou die Leichen der Banditen als einzige Zeugen der vorausgegangenen Tragödie.
Ein langer Zug von Weißen und Indianern ritt über die Hochfläche beim Silbersee. Die untergehende Sonne spiegelte sich rot im kristallklaren Wasser des Sees. Nichts erinnerte daran, daß die Gier nach Reichtum für kurze Zeit die Ruhe des Talkessels gestört hatte.

Old Shatterhand und Winnetou betreten die Höhle. Sie sehen, dass der Schatz des Silbersees für immer versunken ist.Nach freundschaftlicher Verabschiedung von den Utahs und den weissen Freunden reiten Winnetou und Old Shatterhand neuen Abenteuern entgegen.


ORIGINAL

ALLE BILDER AUS DEM RIALTO-CONSTANTIN-CINEMASCOPE-FARBFILM NACH DEM GLEICHNAMIGEN ROMAN VON KARL MAY "DER SCHATZ IM SILBERSEE"
COPYRIGHT ©1962
PRODUKTION: RIALTO/JADRAN
VERLEIH: CONSTANTIN-FILM


FILM-PLAKATE-POSTER

Der Schatz im Silbersee (EA Constantin 1962)Der Schatz im Silbersee (EA Constantin 1962)

Plakat DIN A1 "Der Schatz im Silbersee" (EA Constantin 1962) und (EA Constantin 1962)


REFERENZ

Erscheinungsjahr 1962  (EA 12.12.1962)
Regie Dr. Harald Reinl
Drehbuch Harald G. Petersson
Musik Martin Böttcher
Kamera Ernst W. Kalinke
Film Cinemascope (2.35:1), 35 mm, Eastman Color
Original-Film (KINO) 3027 m = 110 min. 38 sec.
TV/VIDEO/DVD * 106 min. 13 sec.
FSK: Ab 12 Jahren, später ab 6 Jahren (gekürzte Fassung)
Bemerkungen Bambi 1964
Goldene Leinwand (1964)
Prädikat "Wertvoll"
* Die Differenz zur Kinofilm Laufzeit erklärt sich durch die um ein Bild pro Sekunde höhere Video Bildfrequenz.
(KINO 24 Bilder/Sek.) (TV 25 Bilder/Sek.) (PAL-SYSTEM)