DURCHS WILDE KURDISTAN

ORIGINAL FILM STORY UND FILM BILDER (A)


Durchs wilde KurdistanDurchs wilde Kurdistan


INHALT

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FILM-STORY
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REFERENZ


INFO

DURCHS WILDE KURDISTAN

Bilder aus dem Techniscope-Farbfilm nach dem gleichnamigen Roman von Karl May

Produktion: CCC-Film in Zusammenarbeit mit Balcazar-Film, Barcelona
Regie: F. J. Gottlieb
Gesamtleitung: Artur Brauner

Personen und ihre Darsteller:

Kara ben Nemsi . . . . . . . . . .  Lex Barker
Ingdscha . . . . . . . . . . . . . . . . Marie Versini
Hadschi Halef Omar . . . . . . . Ralf Wolter
Benda . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gloria Camera
Ali Bei . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Lukschy
Mütesselin . . . . . . . . . . . . . .  Werner Peters
Machredsch von Mossul . . . . George Heston
Ahmed el Corda . . . . . . . . . . Gustavo Rojo
Marah Durimeh. . . . . . . . . . . Annemarie Blanc
Scheik Mohammed Emin . . .  Charles Fawcett
Padischa . . . . . . . . . . . . . . . . Fernando Sancho
Selin Aga . . . . . . . . . . . . . . .   J. M. Cafarell
Solotänzerin . . . . . . . . . . . . . Soraya Hussein
Lord David Lindsay . . . . . . . . Dieter Borsche
Archie, sein Butler . . . . . . . .  Chris Howland

Verleih: Gloria-Film


DURCHS WILDE KURDISTAN

Ahmed el Corda warnt die Türken mit einem SchußAhmed im Kampf mit den Türken

Der Machredsch von Mossul, ein hoher Würdenträger Sulimans II., befand sich mit einer Abteilung von zwanzig türkischen Soldaten und einem Offizier auf dem Ritt durch die heiße Sandwüste. Hie und da wurde die Einförmigkeit der Ebene durch eine Sanddüne unterbrochen. Da und dort stand ein Büschel halbverdorrten Grases. In der Ferne waren die Silhouetten von Bergen zu sehen, doch die Reiter achteten nicht darauf. Schweigend zogen sie dahin, die Gedanken ganz auf die Oase gerichtet, die sie bald erreichen sollten. Hoffentlich war der Brunnen nicht ausgetrocknet und spendete reichlich Wasser für Mensch und Tier. Plötzlich hoben die Pferde die Köpfe und gingen aus ihrem langsamen Trott in leichten Trab über. Sie hatten das Wasser gewittert. Bald kam die Reiterschar aus der Sandwüste in felsiges Gelände. Hie und da stand ein armseliger, kahler Baum. Bald erreichten die Reiter ein trockenes Wadi, das ist ein Bachbett, welches nur nach den in der Wüste seltenen Regenfällen Wasser führt. Jetzt waren sie am Brunnen angelangt. Dieser war tief in die Erde gegraben und das Loch von einem lose aufgeschichteten Steinwall umgeben. Die Soldaten sprangen von den Pferden und eilten zu dem Brunnen. Einer brachte Seil und Eimer mit, um damit Wasser zu schöpfen. In unmittelbarer Nähe des Brunnens erhob sich eine schroffe Felsenklippe. Über ihrem oberen Rand schob sich jetzt der weiße Burnus eines Arabers. Der Brunnen befand sich im Gebiet der Haddedin, und der Scheik erhob eine Gebühr von allen, die Wasser schöpfen wollten. Heute war sein Sohn Ahmed el Corda hier, um von allfälligen Reisenden die Gebühr zu verlangen. Er beobachtete lange das Treiben der Türken und legte dann sein Gewehr an. Eben als der Soldat den Wassereimer aus dem Loch herausheben wollte, krachte sein Schuß, und das Seil, an welchem der Eimer hing, riß. Das Wasser ergoß sich auf den Boden und versickerte im Sand. Sofort hatten die Soldaten ihre Waffen schußbereit und blickten suchend um sich. Auch der Machredsch schaute kampfbereit auf.
Da kam Ahmed el Corda um den Felsen herum auf die Türken zugeritten. Er beachtete die auf ihn gerichteten Gewehre nicht und ritt bis auf wenige Schritte an den Machredsch heran. Frei und offen schaute er den vornehmen Türken an und sprach: «Dies ist ein Brunnen der Haddedin. Ihr müßt Scheik Mohammed Emin um Erlaubnis fragen und die Wassergebühr bezahlen, ehe ihr Wasser schöpft.» Hochmütig antwortete der Machredsch: «Gilt das auch für mich, den Abgesandten des Padischahs?» Ahmed nickte: «Auch für dich.» Jetzt griff der Machredsch nach seiner Nilpferdpeitsche und sagte mit drohender Stimme: «Du mißachtest also den obersten Herrscher aller Gläubigen?» Ahmed antwortete ruhig: «Du bist nur sein Diener. Ich aber bin Ahmed el Corda, der Sohn Scheik Mohammed Emins. Ich fordere dich auf, das Gesetz der Wüste zu achten. Zahle die Gebühr, schöpfe Wasser und reite dann weiter.» «Ich werde dich bezahlen!» zischte der Machredsch. Weit holte er mit der Peitsche aus und schlug zu. Aber blitzschnell hatte Ahmed sein Gewehr hochgehoben, so daß die Peitsche darauf niedersauste und sich mit dem Ende darum wand. Jetzt riß der Machredsch die Peitsche zurück, und Ahmed mußte sein Gewehr fallen lassen. Er griff in die Zügel und gab seinem Pferd die Sporen. «Nehmt ihn fest», schrie der Machredsch den Soldaten zu. Aber schon war Ahmed herangaloppiert

Ahmed el Corda wird von den Türken niedergemacht und gefangengenommenAls Dank für die Befreiung des Landes vom Schut gibt der Padischah Suliman II. für Kara ben Nemsi ein Fest

Piaja, die schönste Tänzerin des Morgenlandes, tanzt zu Ehren Kara ben NemsisUnter den Gästen des Festes sind auch Kadir Bei, das Oberhaupt der christlichen Chaldäer, und seine schöne Tochter Ingdscha

und schlug dem Machredsch die Faust mit solcher Wucht ans Kinn, daß dieser rückwärts aus dem Sattel fiel. Jetzt drangen die Türken auf den Araber ein. Ahmed saß immer noch zu Pferde und hatte die Pistole gezogen. Den ersten Türken, der auf ihn anlegte, schoß er nieder. Nun drängten die andern von allen Seiten auf ihn ein. Aber Ahmed gab nicht auf. Er ließ sein Pferd im Kreis aufsteigen, und die Türken mußten immer wieder zurückweichen. Plötzlich sprang jedoch einer, der sich der schlagenden Hufe nicht achtend, herbei, erwischte Ahmed am Bein und warf ihn aus dem Sattel. Im Fallen zog Ahmed einen scharfen Dolch und stieß ihn dem nächsten Angreifer in die Brust. Jetzt hob ein Türke sein Gewehr und legte auf ihn an. Doch der Machredsch schrie mit zornbebender Stimme: «Halt! Lebend will ich ihn!» Nun entstand ein wildes Handgemenge. Mutig wehrte sich Ahmed gegen die Überzahl der Angreifer mit einem Säbel, dann mit den bloßen Händen. Schritt für Schritt suchte er zurückzuweichen. Da schlug ihm ein Türke von hinten den Gewehrkolben über den Kopf, so daß er bewußtlos zusammenbrach. Die Soldaten schleppten ihn nun vor den Machredsch, der immer noch zu Pferde saß. «Bindet ihn», befahl er. Sofort wurde der Befehl ausgeführt und Ahmed an Händen und Füßen gefesselt, doch so, daß er noch gehen konnte. Als Ahmed wieder zu sich gekommen war, sagte der Machredsch kalt: «Und jetzt lasse ich dich hängen wegen Auflehnung gegen den Padischah.» Und zu dem Offizier: «Binde ihn an dein Pferd.» Die Tiere wurden nun doch getränkt, und auch die Soldaten löschten ihren Durst. Dann brach die Truppe auf. Der Machredsch führte an, und zu hinterst ritt der Offizier. Ahmed war am Steigbügel angebunden und mußte nebenher laufen.
Bald kamen sie in eine wilde Berggegend, wo sie sich in zwei Gruppen teilten. Die Hälfte der Soldaten folgte dem Machredsch ein tief ausgewaschenes Tal hinunter, die andere Hälfte begleitete den Offizier mit dem Gefangenen über einen gefährlich zerklüfteten Bergpaß.
Als diese zweite Gruppe das Gebirge überquert hatte, kam sie wiederum in eine Sandwüste. Die Hufe der Tiere wirbelten Sand auf, die Luft flimmerte vor Hitze. Taumelnd schleppte sich Ahmed durch den heißen Sand. Zwei Reiter hatten ihn in die Mitte genommen. Beide trugen Peitschen und schlugen damit immer wieder auf den Gefangenen ein, ihn so zu größerer Eile antreibend. Dazu schrien sie ihm die gemeinsten Schimpfwörter ins Gesicht. Nun lenkte der Offizier sein Pferd nahe an Ahmed heran, öffnete seinen Wasserschlauch und ließ sich das Wasser in den Mund rinnen. Dann lachte er spöttisch: «Hast du Durst, Sohn einer Hündin? Ich nicht!» Und wieder ließ er sich Wasser in den Mund rinnen. Dann verschloß er den Schlauch, ohne dem Gefangenen etwas gegeben zu haben, und entfernte sich. Ahmed hatte getan, als bemerkte er das Wasser nicht. Er war selbst jetzt noch zu stolz, seinen Durst zu zeigen.

Aber alle orientalische Pracht und die Freundschaft des Padischah können Kara nicht halten. Er will heimUnermüdlich schildert Hadschi Halef Omar seinen Kindern die Abenteuer, die er bestand

Kara ben Nemsis Weg geht zum Dorf seines Gefährten Hadschi Halef OmarBegeistert wird Kara ben Nemsi begrüßt

Im Prunksaal seines Palastes gab Padischah Suliman II. ein Fest. Es war ein Saal wie aus den Märchen von Tausend und einer Nacht, mit Marmorsäulen, goldenen Figuren mit Smaragdaugen, Böden aus Edelsteinmosaiken, Öllampen aus Gold und Silber. Viele Gäste waren da, lauter Männer. Nur ein junges Mädchen war unter den Geladenen zu sehen. Stolz aufgerichtet, das Gesicht unverschleiert, stand sie neben einem älteren Mann. Dieser war ihr Vater, das Oberhaupt der Chaldäer, der einzigen Christen, die der Padischah im Morgenland anerkannt hatte. Er hieß Kadir Bei, der Name seiner Tochter war Ingdscha.
Padischah Suliman II., der Beherrscher aller Gläubigen, saß auf einem erhöhten Marmorpodest, in kostbare Seidengewänder gehüllt. Neben ihm hatte ein Mann Platz genommen, der sich in dieser Umgebung recht seltsam ausnahm. Er hatte blondes Haar und Augen von leuchtendem Blau. Sein Gesicht war von der Wüstensonne braun gebrannt. Er trug ein einfaches Ledergewand. Sein Name war Kara ben Nemsi. Er war der Ehrengast an diesem Feste. Jetzt ertönte leise orientalische Musik. Tänzerinnen traten auf, tanzten und huschten davon. Und jetzt erschien Piaja, der Liebling des Padischahs. Es hieß von ihr, sie sei die beste Tänzerin des Morgenlandes. Als ihr Tanz zu Ende war, sagte der Padischah zu Kara ben Nemsi: «Du hast mein Land vom Schut, der ein gefährlicher Mörder war, befreit . . . Gefällt dir Piaja? Ich schenke sie dir!» Überrascht, fast erschrokken, blickte Kara ben Nemsi seinen Gastgeber an. Doch faßte er sich schnell und erwiderte: «Deine Güte kennt kein Ende, aber ich möchte dich um ein noch größeres Geschenk bitten. Du weißt, ich muß noch zu den Haddedins reiten, bevor ich in meine Heimat zurückkehre. Behalte Piaja bei dir, bis ich wiederkomme.» Der Padischah nickte: «Deine Bitte sei dir gewährt.» Beide Männer waren aufgestanden und gingen auf den Ausgang zu. Als sie an Ingdscha vorbei kamen, fragte Kara ben Nemsi: «Wer ist dieses Mädchen?» Der Padischah erklärte es ihm. Wie wenn sie gemerkt hätte, daß die Rede von ihr war, schaute Ingdscha zu ihnen herüber. Frei und offen blickte sie Kara ben Nemsi in die Augen. Der Padischah stellte jetzt seinen Gast dem Oberhaupt der Chaldäer und dessen Tochter vor. Kadir Bei begrüßte ihn erfreut: «Du bist Kara ben Nemsi! Wir haben großes von dir gehört.» Der Padischah warf ein: «Leider verläßt er uns schon morgen.» Kadir Bei antwortete: «Auch wir brechen morgen auf. Meine Tochter reist mit einer Karawane zu ihrer Großmutter, und ich kehre nach Hause zurück.» Nun führte der Padischah seinen Gast hinaus. Draußen übergab er ihm ein in Leder eingefaßtes Papier. «Hier, Kara ben Nemsi», sprach er, «nimm diesen Ferman. Es ist ein Paß, der dir in meinem Land jede Tür öffnet und jedem Schutz gewährt. Ich gebe ihn nur meinen besten Freunden.» Herzlich bedankte sich Kara ben Nemsi, verbeugte sich dann leicht und ging.

Das Oberhaupt der Haddedins, Hadschi Halef Omar, saß vor seinem Zelt auf einem Berg von Teppichen. Er war umgeben von seinen sechs kleinen Söhnen, mit denen er sich fröhlich unterhielt. Da hörten sie Schreie und Rufe von oberhalb des Lagers, und bald war deutlich der Name Kara ben Nemsi zu hören. Hadschi Halef Omar sprang von seinem

Halef und seine sechs Söhne gehen Kara ben Nemsi entgegenHalef erzählt Kara ben Nemsi von der Gefangennahme Ahmed el Cordas

Scheik Mohammed ist ins Lager gekommen, um Kara ben Nemsi zu suchen und um Hilfe zu bittenDie Türken treiben Ahmed el Corda, den Sohn des Scheiks Mohammed, ins Gefängnis

Teppichberg herunter und lief eilig in die Richtung, aus der die Rufe kamen. Tatsächlich sah er Kara ben Nemsi schon die breite Zeltstraße heraufkommen. Jubelnde Menschen drängten sich um ihn, doch vor Hadschi Halef Omar wichen sie zurück. Laut rief dieser: «Hier bin ich, Sihdi!» Mit ausgestreckten Armen lief er auf Kara ben Nemsi zu, und freudestrahlend gaben sich die beiden Freunde die Hände. Vor Halefs Zelt sprang Kara ben Nemsi vom Pferd, das sofort von einem Sohn Halefs weggeführt wurde. Jetzt zog er eine weiße Halskette aus der Tasche und überreichte sie Halefs Frau Hameh, die im Zelteingang erschienen war.
Nun nahm Halef seinen Freund beiseite und sagte zu ihm: «Ich bin froh, daß du da bist. Es ist etwas Furchtbares geschehen. Du kannst noch nicht in deine Heimat zurück. Ich muß dich sofort zu Scheik Mohammed Emin bringen.» Aufblickend fuhr er erfreut fort: «Doch sieh, da kommt er schon selbst.» Während sie auf den heranreitenden Scheik warteten, fragte Kara: «Was ist geschehen?» Halef erzählte ihm nun von der Gefangennahme Ahmed el Cordas und schloß: «Am Tage nach Vollmond soll er hingerichtet werden, ohne Gericht!»
Inzwischen war Scheik Mohammed herangekommen. Er begrüßte Kara ernst und fuhr gleich fort: «Es geht um das Leben meines Sohnes, Kara ben Nemsi.» Kara fragte nun, wohin Ahmed el Corda gebracht worden sei. Niemand wußte es genau. Man habe von Burusco gesprochen, aber es sei nicht sicher, sagte Scheik Mohammed. Die drei Freunde setzten sich vor Halefs Zelt, um zu beraten, was zu tun sei. Mohammed Emin und Halef waren dafür, das Recht des Stärkeren geltend zu machen und Ahmed mit Gewalt zu befreien. Der Machredsch von Mossul habe auch nie nach der Zahl der Toten gefragt, wenn er Steuern für seine eigene Kasse erpressen wollte. Doch Kara gab seine Zustimmung noch nicht. Alle drei erhoben sich, denn ein Krieger führte schon zwei Pferde herbei. Das erste war das Reitpferd Scheik Mohammeds, er ergriff es am Zügel. Das zweite war ein viel besseres, ein prachtvolles, unvergleichliches Tier. Scheik Mohammed machte eine Armbewegung zu ihm hin und sagte zu Kara: «Ich hatte dir einen Sohn Rihs mitgebracht, den du auf der Jagd nach dem Schut geritten hast. Ich wollte ihn dir schenken. Ich glaubte, du wärest ein Freund.» Kara war überrascht. In bewegtem Ton antwortete er: «Ich bin ein Freund, auch ohne Rih.» Freudig rief Mohammed: «So kommst du mit? Es sind nur noch vier Tage bis Vollmond.» Kara ben Nemsi war unentschlossen. Er verstand den Scheik Mohammed sehr gut. Aber auch der Padischah, gegen den der geplante Gewaltstreich letztlich gerichtet war, war sein Freund. Da führte Halef die Entscheidung herbei. Er stieß Kara an und sagte: «Sihdi, wir müssen uns beeilen. Du mußt . . . schon damit nichts Unrechtes geschieht.» Jetzt gab Kara nach. «Also gut», sagte er, «aber ich will wirklich darauf achten, daß wir nichts Unrechtes tun.» Erleichtert wandte sich Scheik Mohammed ab und bestieg sein Pferd. Halef holte Pferd und Waffen, während Kara seinem Rih Junior den Hals klopfte. Als Halef angeritten kam, stieg auch Kara auf, und eilig ritten die drei Freunde davon.
Sie überquerten eine einsame Hochebene, welche immer wieder von zerklüfteten Felsmassiven unterbrochen wurde.

Zwar will Kara in seine Heimat reisen, doch der Bitte des Scheiks Mohammed kann er sich nicht entziehenKara ben Nemsi, Hadschi und Scheik Mohammed beraten die Befreiung Ahmed el Cordas

Als Dank für die zugesagte Hilfe schenkt Scheik Mohammed Kara ben Nemsi einen Sohn des Wunderpferdes RihScheik Mohammed Emin und Kara ben Nemsi machen sich auf, um Ahmed el Corda zu befreien

Kara beobachtete ununterbrochen die Schatten der Felsen, um etwa dort auflauernde Feinde zu entdecken. Halef ritt neben ihm und beschwor ihn mit eifriger Stimme: «Glaube mir Sihdi. Die Jecidis sind die gefährlichsten Kurden, die es gibt. Sie verbrennen ihre Menschenopfer bei lebendigem Leibe. Wir müssen sehr, sehr vorsichtig sein.» Bei diesem Redeschwall ging ein leises Lächeln über Karas Gesicht. Scheik Mohammed blickte unbewegt. Schweigend ritten sie weiter. Sie näherten sich jetzt dem Tal der Jecidis.

Das Tal der Jecidis war zu beiden Seiten von steilaufragenden, zerklüfteten Felswänden begrenzt, welche am nördlichen und südlichen Ende des Tales nur einen schmalen Durchgang freigaben. Mitten im Tal ragte ein gewaltiger Holzturm in die Höhe, der aus tausenden von Holzscheiten aufgeschichtet war. Kriegerisch blickende Männer in engen Hosen und bunten Hemden trugen noch mehr Scheite herbei, denn der Turm sollte noch höher aufgebaut werden. Andere Männer schütteten Pech über den Turm, damit er wie eine gewaltige Fackel brenne. Neben dem Turm stand ein tempelartiges Steingebäude. Ringsum herrschte ein emsiges Treiben. Männer, Pferde und Kamele tummelten sich. Die Jecidis hatten sich hier versammelt, um das große Fest ihres Glaubens zu feiern.
Eben kam Ali Bei, das Oberhaupt der Jecidis, zu dem Steingebäude geritten. Er sprang vom Pferd und blickte dann zu dem gewaltigen Holzturm hinauf. Aus dem Steingebäude trat jetzt Pir Kamek, das religiöse Oberhaupt der Jecidis. Er stellte sich neben Ali Bei und schaute ebenfalls zu dem Holzturm hinauf. Ali Bei fragte: «Welches Tier sollen wir opfern?» Pir Kamek antwortete abweisend: «Das werden wir früh genug erfahren.»
Kara Ben Nemsi und seine Begleiter ritten jetzt in den schluchtartigen Eingang zum Tal der Jecidis hinein. Hinter Felsen hoch oben in der zerklüfteten Wand saßen ein paar Kurden, die Gewehre in den Händen, und beobachteten sie. Jetzt begann einer vorsichtig, lautlos die Felswand herunterzusteigen und war bald verschwunden. Die Reiter kamen näher. Kaum hörbar rollte ein Steinchen von oben, blieb stecken, Sand rieselte weiter. Ein Hauch davon stäubte neben den Reitern über die Felswand. Halef fragte leise: «Sihdi, merkst du etwas?» Kara lächelte: «Es sind sieben Jecidis, und ein paar von ihnen werden uns bald anhalten.» Die Jecidis brachten nun einer nach dem andern ihre Gewehre in Anschlag. Die drei Freunde ritten langsam weiter. Plötzlich rief eine herrische Stimme: «Hände hoch! Keine Bewegung!» Drei Männer sprangen katzengewandt die Felswand herunter und stellten sich vor den Reitern auf. Jeder hatte sein Gewehr schußbereit in der Hand. Ohne Gruß begann einer zu sprechen: «Wo wollt ihr hin?» Kara antwortete mit einer andeutenden Kopfbewegung:. «Dorthin!» Zornig fragte der Jecidi weiter: «Und woher kommt ihr?» Kara, mit dem Daumen hinter sich deutend: «Dorther!» Jetzt rief der Jecidi drohend: «Ihr seid gefangen! Wer zur Waffe greift, wird ein Fraß der Schakale!» Dann ergriff er den Zügel von Karas Pferd und befahl: «Vorwärts!» Ein Weilchen ritten sie schweigend. Aber unvermittelt fragte Kara: «Gibt es hier eigentlich auch Adler?» Halef wollte schon antworten, Adler gebe es hier überall, aber er besann

Beschwerlich und voller Gefahren ist der Ritt nach BuruscoGefahren drohen den Reitern nicht nur durch die wilde Natur, sondern auch durch die unberechenbaren Kurdenstämme

Die Reiter haben den Hinterhalt der Jecidis entdecktHadschi Halef weiß, wie gefährlich die Jecidis sind und sucht scheinbar sein Heil in Ergebenheit

sich anders und blieb still. Plötzlich aber zeigte er mit beiden Händen nach oben und schrie so laut er konnte: «Da! Da! Schaut, was uns Allah schenkt!» Unwillkürlich hoben alle Jecidis die Köpfe und starrten in den Himmel hinauf. Darauf hatte Kara gewartet. Er warf sich von seinem Pferd aus auf den Anführer, schlug ihm die Waffe aus der Hand und stieß ihm seine Pistole hart in den Rücken. Blitzschnell taten Scheik Mohammed und Halef dasselbe mit dem zweiten und dem dritten Jecidi. Diese waren so überrumpelt von dem Angriff, daß an Gegenwehr nicht zu denken war. Kein Wort war gesprochen worden. Jetzt sagte Kara zu seinem Jecidi: «Los, bringt uns zu eurem Führer!» Wortlos gehorchten die drei.
Als die Jecidis beim Opferturm den Reiterzug erblickten, ließen sie von ihrer Arbeit ab und eilten ihm laut rufend entgegen. Sie waren sehr verwundert, daß ihre Stammesgenossen die Gefangenen waren, statt umgekehrt. Diese ritten mit gesenkten Augen und gaben keine Antwort auf Fragen, denn sie schämten sich ihrer Niederlage. Die Ankunft der Fremden wurde sofort dem Anführer Ali Bei gemeldet. Dieser ging den Reitern mit großen Schritten und zornigem Gesicht entgegen bis zum Opferturm. Zu seiner Überraschung wurde er von dem Reiter in der Lederkleidung mit dem Namen angesprochen: «Du hast tapfere Krieger, Ali Bei, aber sie wissen Freunde nicht von Feinden zu unterscheiden.» Jetzt erkannte Ali Bei den Sprecher, und der zornige Ausdruck seines Gesichtes wich einem freudigen Lachen. «Kara ben Nemsi!» rief er, «welche Freude, dich wiederzusehen. Willkommen im Tal der Jecidis!» Nun steckte Kara seine Pistole ein und schüttelte Ali Bei die Hand. Dieser bat, die Wachen wieder auf. ihre Posten zurückschicken zu dürfen und ließ sich dann Karas Begleiter vorstellen. Danach lud er alle drei ein, seine Gäste zu sein. «Morgen feiern wir unser Glaubensfest», erklärte er. Halef rief entsetzt: «Hoffentlich soll keiner von uns das Opfer sein!» Ali Bei schüttelte ernst den Kopf: «Nein, von Menschen nimmt Allah keinen Menschen an. Das Opfer muß immer ein Tier sein. Kara blinzelte Halef zu, wie wenn er sagen wollte: «Hörst du jetzt, und was hast du mir erzählt!»

Sir David Lindsay reiste mit seinem Diener Archie durch die Wüste auf der Suche nach Abenteuern. Er war ein Unikum. Er trug stets ein Monokel, ein Offiziersstöckchen und meist einen graukarierten Anzug. Er führte immer ein Wägelchen mit sich, auf welchem ein Grammophon montiert war, das ununterbrochen in voller Lautstärke spielte. Archie hatte immer eine zusammenklappbare Badekabine und genügend Wasser mitzuführen, so daß der Lord mitten in der Wüste ein Bad nehmen konnte, wenn er Lust hatte. Eine umfangreiche Reisetasche durfte er nie aus den Händen geben. Gerade war das Bad wieder einmal parat. Der Lord seifte sich eben in der Badekabine ein, und Archie legte den karierten Nachmittagsanzug zurecht. In der Ferne tauchte ein Trupp türkischer Soldaten auf, angeführt von einem Hauptmann und seinem Leutnant. Maultiere trugen Räder und Lafetten von Kanonen. Der Trupp war unterwegs zu den Jecidis, um von den widersetzlichen Kurden Steuern einzutreiben. Jetzt erblickten sie den Lord und Archie und

Kara und seine Freunde sind von den Jecidis umstelltMit einem Trick lenkt Hadschi seine Bewacher ab

Blitzschnell handelt Kara ben Nemsi ...... und überwältigt den ersten Jecidi

erkannten sofort, daß die beiden keine Jecidis waren. «Was tun wir jetzt?» fragte der Leutnant, «die dürfen uns doch nicht sehen.» «Wir nehmen sie gefangen», antwortete der Hauptmann, «Gefangene sind immer gut.»
Unterdessen waren die Türken bei der Badewanne des Lords angelangt und fragten ihn nach dem Namen. Archie übernahm es, seinen Herrn mit Namen und Titel vorzustellen, und auch sich selbst vergaß er nicht. Doch der fremde Titel machte auf den Hauptmann keinen Eindruck. Er befahl dem Lord, sich sofort anzuziehen. Als dies geschehen war, wurden der Lord und Archie an Händen und Füßen gefesselt und bäuchlings in den Sand gelegt. Der Lord war darüber keineswegs beunruhigt. Er sagte zu Archie: «In diesem Land kann man noch Abenteuer erleben! Wenn mich mein Freund Kara ben Nemsi jetzt sehen könnte, würde er platzen vor Neid.»
Bald ging die Reise weiter. Der Lord und Archie mußten als Gefangene mitreiten. Gegen Abend kam der Trupp bei einem kleinen Wäldchen an. Hier wurde Lager gemacht für die Nacht. Nach einem mißglückten Fluchtversuch, bei dem einige Knallfrösche in die Luft gegangen waren, wurden der Lord und Archie wieder sorgfältig gefesselt. Am Morgen sollte der Angriff auf die Jecidis unternommen werden. Auf dem flachen Dach des Hauses von Ali Bei saßen Kara ben Nemsi und seine Begleiter mit ihrem Gastgeber beisammen. Verwundert sahen sie in der Ferne die Knallfrösche im Nachthimmel zerstieben, wußten aber nicht. was es war. Die Jecidis glaubten, Allah gebe mit diesem Zeichen seinen Segen zu ihrem Fest. Doch Kara war nicht dieser Meinung. «Erlaubst du mir, auszukundschaften, was es bedeutet?» fragte er Ali Bei. Dieser nickte. Kara, Scheik Mohammed und Halef standen nun auf, ergriffen ihre Waffen und entfernten sich. Schnell näherten sie sich dem Wäldchen und huschten dann als lautlose Schatten von Baum zu Baum auf das Lager zu. Jetzt schob Kara ben Nemsi seinen Kopf hinter einem Baumstamm hervor und überblickte das Lager. Ein kleines Feuer erleuchtete schwach den Platz. Der Leutnant versuchte, Lindsays Grammophon aufzuziehen. Der Hauptmann stand bei den Gefangenen. Die angestellten Wachen waren unaufmerksam. Einige schliefen sogar. Eben sagte der Hauptmann zu Lindsay: «Alles Geld, welches wir bei den Jecidis erbeuten werden, wird der Machredsch für sich nehmen. Also wirst du mir Geld geben, und ich bin dein Freund.» Jetzt hatte Kara ben Nemsi genug gesehen. Er zog sich zurück und verschwand im Dunkel. Der Hauptmann fuhr fort: «Was zahlst du mir, wenn ich dich freilasse?» Aber der Lord ging nicht darauf ein und antwortete: «Nichts!» Darüber wurde der Hauptmann so wütend, daß er den Lord mit Fußtritten zu traktieren begann. Das erboste Archie. Er warf sich trotz seiner Fesseln heftig herum und brachte den Hauptmann so zu Fall. Aufschreiend stürzte dieser rücklings in das züngelnde Lagerfeuer. Gerade als er wieder aufgestanden war, knatterten von außerhalb des Wäldchens Schüsse. Halef gab sie aus Karas Henrystutzen ab. Der Hauptmann schrie: «Überfall, los, ihnen nach!» Sogleich setzten sich die Soldaten auf die Schüsse zu in Bewegung. Doch jetzt knallten Schüsse aus der entgegengesetzten Richtung. Sie kamen aus den Gewehren Scheik Mohammeds und Halefs und aus Kara ben Nemsis Bärentöter. Scheik Mohammed schoß alle drei Gewehre leer. Sofort machten

Auch Scheik Mohammed überwältigt einen Krieger der JecidisHadschi bleibt seinen Gegnern auch nichts schuldig

Statt Gefangene ins Lager zu führen, werden die Jecidis selber als Gefangene abgeführtAli Bei, der militärische Führer der Jecidis, erkennt in Kara ben Nemsi seinen alten Freund

die Soldaten kehrt und liefen auf die andere Seite. Und schon kniete Kara ben Nemsi neben den Gefangenen und befreite sie. Darin hielt er den Hauptmann, der seine Leute beobachtete, mit dem Revolver in Schach und herrschte ihn an: «Ihr seid eingeschlossen, ruf deine Leute zurück, Widerstand ist zwecklos.» Lindsay und Archie richteten ihre Gewehre auf den Hauptmann, und Halef stand mit gezücktem Messer da. Da stammelte der Hauptmann: «Was soll ich tun?» Kara befahl hart: «Ruf deine Leute zurück.» Zitternd vor Angst schrie der Hauptmann: «Alles zurück, sofort, hierher!» Nach wenigen Augenblicken waren alle Soldaten zurückgekehrt. Erschrocken blieben sie vor den Waffen Karas und seiner Begleiter stehen. Der Hauptmann erklärte: «Wir ergeben uns der Übermacht. Legt alle Waffen ab.» Während Archie und Halef die Soldaten entwaffneten, erklärte Kara ben Nemsi Lindsay, mit dem er von früher her befreundet war: «Morgen früh kommen noch die Soldaten des Machredsch von Mossul, um mit diesem hier zusammen die Jecidis zu überfallen.

Bei Sonnenaufgang zog der Machredsch mit seinen Soldaten auf das Tal der Jecidis zu. Der Machredsch und sein Unteranführer, der Miralai Omar Ahmed, ritten voraus. Anhand eines genauen Planes erklärte der Machredsch dem Miralai, wie die Jecidis mit der Hilfe des Hauptmanns und seiner Kanonen ihnen direkt in die Arme getrieben werden sollten. «Siehst du», schloß er, «dort ist schon der Eingang zum Tal der Jecidis.» Schweigend ritten sie dann weiter.
In den Strahlen der aufgehenden Sonne lag das Tal der Jecidis wie ausgestorben. Kein Mensch war zu sehen. Verlassen ragte der Holzturm in den Morgenhimmel. Nur auf dem Dach von Ali Bei regte es sich. Dort saßen Kara ben Nemsi, der Lord, Scheik Mohammed, Halef und Archie. Der Lord beobachtete den Taleingang durch ein Fernrohr, während Kara sagte: «Sie werden bald kommen. Und vergiß nicht, Scheik Mohammed, daß du versprochen hast, den Machredsch nicht zu töten. Du weißt, sein Tod könnte unserem Vorhaben nur schaden.» Nun blickten wieder alle gespannt nach Norden. Im Eingang des Tempels erschien Pir Kamek im weißen Umhang. Auch er erwartete die Feinde.
Auch die gefährlich steilen Felswände rings um das Tal waren wie ausgestorben. Nicht einmal ein Vogel war zu hören. Aber überall, hinter Steinen und Büschen versteckt, lagen die Jecidis auf der Lauer. Sie überblickten das ganze Tal und konnten jeden Punkt in ihm mit ihren Kugeln erreichen.
Nur der Taleingang im Norden war frei. Hier langten jetzt der Machredsch, der Miralai und ihre Soldaten an. Ein Vortrupp drang in scharfem Ritt in das Tal ein. Die Reiter beobachteten die Felswände zu beiden Seiten, bemerkten aber nichts. Bald folgten die beiden Anführer mit der Hauptmacht. Auch sie waren sehr wachsam. Aber alles schien ihnen menschenleer und ungefährlich.
Die Männer auf dem Hausdach hatten die Ankunft der Feinde bemerkt. Um nicht gesehen zu werden, legten sie sich flach hin. Alle verhielten sich ganz still. Jetzt ritt der Vortrupp, verwundert und beunruhigt über die Menschenleere

Kara legt ein Wort für die überwältigten Jecidis einKara ben Nemsi kam zur rechten Zeit ins Tal der Jecidis, denn Ali Bei befürchtet einen Überfall

Siegesgewiß reitet der Machredsch von Mossul zum Ausgangspunkt des geplanten Überfalls auf die JecidisLord Lindsay und sein Diener Archie auf der Reise durchs wilde Kurdistan

im Tal, unter dem Steinhaus Ali Beis vorbei. Auch der Machredsch, der Miralai und die Hauptmacht hatten bereits das Tal erreicht und bildeten eine breite Angriffslinie. Doch außer ihrem eigenen Vortrupp konnten sie keinen Menschen erblicken. Nichts bewegte sich, kein Schuß fiel. Unruhig sagte der Miralai: «Nicht ein einziger Kurde . . . das gefällt mir nicht, das Tal soll doch heute voller Jecidis sein.» Auch der Machredsch konnte es sich nicht erklären, aber er sagte leichthin: «Warte nur auf den ersten Kanonenschuß, dann wirst du sie alle sehen.»
Am Ausgang des Tales im Süden standen auf einer Anhöhe die Kanonen des Hauptmannes. Krieger der Jecidis standen dabei und warteten auf das Kommando Ali Beis. Jetzt ertönte sein Befehl: «Feuer!» Und drei Kanonenschüsse donnerten ins Tal, aber gegen die Türken, nicht gegen die Jecidis.
Der Machredsch und der Miralai hatten eben Ali Beis Haus erreicht, als sie die Kanonenschüsse hörten. Beide atmeten erleichtert auf, und triumphierend rief der Machredsch: «Jetzt wirst du die Jecidis gleich antanzen sehen!» Aber sie sahen ihren eigenen Vortrupp angetanzt kommen. Schreiend, in regelloser Flucht sprengten sie heran. Der Machredsch donnerte sie an: «Stehen bleiben! Was ist los!» «Sie haben auf uns geschossen, mitten in unsere Abteilung!» antwortete keuchend der Anführer. «Das ist ja unglaublich!» tobte der Machredsch. «Los, wieder nach vorn! Miralai, gib ihnen noch zwanzig Mann mit!» Schon wollte sich die Kolonne neu formieren. Da donnerte Kara ben Nemsis Stimme weithin durch das Tal: «Spare dir die Mühe, Machredsch von Mossul! Die Jecidis waren auf dein Kommen vorbereitet! Hinter deinen Kanonen stehen kurdische Kanoniere unter Ali Bei. Du und deine Leute sind eingeschlossen. Ergebt euch!» Die Türken blickten sich um, konnten aber den Rufer nicht sehen. Der Machredsch rief mit öliger Stimme, die seine Falschheit verriet: «Komm herunter, wir wollen verhandeln!» «Gut, Machredsch von Mossul», antwortete Kara. «Ich komme, aber hier sind viele Gewehre auf dich gerichtet. Wenn jemand die Waffe gegen mich erhebt, bist du der nächste Tote!» Kara kletterte nun eine Leiter ins Innere des Hauses hinunter. Bald öffnete er die Türe und trat aus dem Schutz des Hauses. Der Machredsch und der Miralai ritten auf ihn zu. Mit unbewegten Gesichtern verfolgten die Jecidis in den Felswänden das Geschehen. Jedes ihrer Gewehre war auf einen Türken gerichtet.
Der Machredsch fragte höflich: «Kennen wir uns?» Aber Kara erwiderte kalt: «Ich kenne nur ehrliche Würdenträger des Padischah. Ergib dich mit allen deinen Soldaten. Liefert alle Waffen ab. Dann geben wir euch freies Geleit.» Der Machredsch war sprachlos. Doch bald faßte er sich und schrie: «Du hast den Verstand verloren, wir ergeben uns nicht!» Da hob Kara leicht die rechte Hand. Auf dieses Zeichen hin richteten sich alle in den Felswänden versteckten Jecidis hoch auf. Jedes Gewehr blieb auf einen Türken

Bald wird sich der Lord nicht mehr über Langeweile zu beklagen habenDie Vorausabteilung des Machredschs hat die Engländer entdeckt und nimmt sie gefangen

Das Grammophon des Lords ist seinen Bewachern ein Zauberkasten, den sie gern behalten wollenTrotzdem der Lord und sein Diener Archie gefesselt sind, geben sie die Hoffnung nicht auf

gerichtet. Stumm wies Kara mit einer weiten Armbewegung auf alle die Krieger. Die Türken waren entsetzt. Der Machredsch kochte vor Zorn, in diese Falle gegangen zu sein. Mit einem Wutschrei riß er sein Pferd herum, um Kara ben Nemsi über den Haufen zu reiten. Blitzschnell sprang dieser zurück. Als er in der Tür des Steinhauses stand, rief er dem Machredsch nach: «Bedenke, Machredsch von Mossul, jeder Widerstand kostet nur Blut!» Dann schloß er die Tür hinter sich und verriegelte sie. Schon fielen die ersten Schüsse der Türken. Als Kara wieder auf dem Dach ankam, sah er, wie der Scheik Mohammed auf den Machredsch zielte. Mit einem Seitenblick auf Kara drückte der Scheik gleich ab. Aber ein Soldat war eben vor den Machredsch geritten und fiel an dessen Stelle getroffen vom Pferd. Die Jecidis in den Felswänden hatten auch das Feuer eröffnet, und die Türken versuchten in Deckung zu gehen. Aber der Machredsch und der Miralai befahlen gleichzeitig: «Ausschwärmen! Mir nach!»
Sie wollten versuchen, durch den schmalen Nordausgang zu entkommen. Weit ausgeschwärmt jagten Reiter und Fußvolk auf die Schlucht zu. Aber die Jecidis waren schneller gewesen. Sie hatten die Schlucht bereits besetzt. Eine Gewehrsalve von ihnen warf viele Türken getroffen von den Pferden. Niemand hörte mehr auf den Machredsch und den Miralai. Wer noch reiten konnte, kehrte um und flüchtete zurück ins Tal hinein. Für die, welche an Ali Beis Haus vorbeikamen, hatte sich der Lord etwas besonderes ausgedacht. Er und Archie standen mit langen Stangen bewaffnet da. Jeden vorüberreitenden Türken hoben sie damit in mittelalterlicher Manier aus dem Sattel. Dabei sagte der Lord: «Das spiele ich lieber als Billard. Ein herrliches Land, dieses Kurdistan!»
Die Hauptmacht der Türken flüchtete jedoch auf den Südausgang zu. Als sie nahe genug waren, befahl Ali Bei Feuer, und drei Kanonenkugeln explodierten mitten in den Reihen der Türken. Diese gingen nun wo immer es möglich war in Deckung. Die meisten drängten sich zwischen den paar Steinhäusern, dem Tempel und dem Opferturm zusammen. Aber immer wieder rissen die Schüsse der Jecidis Lücken in ihre Reihen. Ihnen selber war es fast unmöglich, einen der gut versteckten Feinde zu treffen. Ihre Pferde galoppierten herrenlos durch das Tal. Auch der Machredsch und der Miralai hatten ihre Pferde laufen lassen, um besser Deckung zu finden. Die meisten Soldaten drängten sich um den Machredsch, um durch ihn einen Ausweg aus dieser Falle zu finden. Aber auch er war ratlos.
Im Rücken der Männer öffnete sich jetzt die Tür des Tempelhauses, und Pir Kamek trat heraus. In der rechten Hand trug er eine brennende Pechfackel. Niemand bemerkte ihn, als er damit auf den Holzturm zuging. Die Beobachter auf dem Dach von Ali Beis Haus waren sprachlos. Was wollte der Priester, unbewaffnet wie er war? Nun stand Pir Kamek nur noch wenige Schritte hinter dem Miralai, und mit tiefer,

Nicht einmal der Hauptmann der Türken ahnt, wie nahe die Gefahr istKara ben Nemsi und Hadschi entdecken bei ihrer nächtlichen Erkundung den gefangenen Lord und die Pläne der Türken

Die Vorausabteilung der Türken ist entwaffnet, der Plan des Machredsch zum Scheitern verurteiltSiegesgewiß reitet der Machredsch von Mossul dem Tal der Jecidis entgegen

hoher Stimme rief er: «Miralai! Dreh dich um!» Dieser fuhr erschrocken herum und starrte den Priester an, wie ein Gespenst. «Pir Kamek!» flüsterte er kaum hörbar. Pir Kamek fuhr fort: «Miralai, das Gesetz Allahs fordert Leben für Leben. So bin ich gekommen, dein Leben zu nehmen für das meines Sohnes!» Mit diesen Worten schleuderte er seine Fackel in hohem Bogen in den Holzturm, welcher sofort ringsum Feuer fing. Der Miralai schrie: «Erschießt ihn: Er soll sterben, nicht ich!» Dazu erhob er seinen Säbel gegen Pir Kamek. Aber er kam nicht dazu, ihn zu gebrauchen. Der Priester packte ihn mit eisernem Griff und sprang mit ihm, durch die herandrängenden Soldaten hindurch, mitten in die prasselnden Flammen des himmelwärts lodernden Opferfeuers. Einen Augenblick noch sah man die beiden Gestalten, dann hatte das Feuer sie verzehrt. Ein Entsetzensschrei hallte durch das Tal. Die Gewehre schwiegen. Nach langem Schweigen sagte Kara ben Nemsi mit ernster Stimme: «Möge Allah dieses schreckliche Opfer verzeihen.» Dann richtete er sich hoch auf, und deutlich waren seine Worte überall zu vernehmen: «Machredsch von Mossul, wirf die Waffen weg! Du hast drei Minuten Zeit, oder keiner von euch wird den Abend erleben!» Mit haßverzerrtem Gesicht ging der Machredsch langsam durch die Reihen seiner Männer und trat auf den freien Platz zwischen Tempelhaus und Opferturm. Dort zerbrach er seinen Säbel und warf die Teile auf den Boden. Erleichtert atmeten die Soldaten auf und legten schnell ihre Waffen nieder.
Die siegreichen Jecidis stiegen jetzt aus den Felsen herunter. Ein Trupp wurde zur Bewachung der gefangenen Türken abkommandiert. Die übrigen drängten sich in einem Kreis um Ali Bei und Kara ben Nemsi, die sich jetzt mitten unter ihnen befanden. Im Namen aller Kurden sagte Ali Bei zu Kara: «Effendi, es gibt keinen Jecidi, der nicht für dich sterben würde. Wir danken dir und bitten dich, ein Andenken an uns mitzunehmen.» Er wies dabei auf den prachtvollen Hund, der neben ihm stand, und fuhr fort: «Er ist ein rassereiner Tasi und nur darauf dressiert, seinen Herrn zu beschützen. Er heißt Dojan.» Kara drückte Ali Bei fest die Hand und sagte einfach: «Ich danke dir, Ali Bei!» Als ob der Hund alles verstanden hätte, wechselte er den Platz und setzte sich neben seinen neuen Herrn. Bald darauf nahm Kara ben Nemsi Abschied von Ali Bei und den Jecidis. Scheik Mohammed erwartete ihn und Halef unten in der Ebene, da er fürchtete, sein Versprechen nicht halten zu können, wenn er den Machredsch noch länger vor Augen hätte. Mit lebhaftem Bedauern verabschiedete sich auch Sir David Lindsay von seinen Freunden. Er konnte sich ihnen nicht anschließen, weil er versuchen wollte, eine Wette zu gewinnen. Und dazu durfte er nur Archie bei sich haben. Als Kara ben Nemsi mit seinen Begleitern an den waffenlosen Türken vorbei ritt, rief ihm der Machredsch nach: «Wir sehen uns wieder, Kara ben Nemsi!» Da konnte Halef nicht an sich halten, er rief: «Wir reden nicht mit Schakalen, wie du einer bist. Und jetzt reiten wir nach Burusco, dort hast du nichts zu sagen!» Jetzt war Karas Reiseziel verraten, sein warnender Blick kam zu spät.

Kara ben Nemsi hat seinen Plan bereits fertig und bereitet die Verteidigung vorDer Machredsch hat das Tal erreicht und wartet vergeblich auf das vereinbarte Signal zum Angriff

Die Verteidiger erwarten voller Spannung den AngriffFür Scheik Mohammed ist die Stunde gekommen, seinenn Sohn zu rächen, doch auch er muß sich der Klugheit Karas fügen

Als Kara ben Nemsi, Halef und Ali Bei verschwunden waren, durften sich die entwaffneten Türken nach ihrem Hauptquartier aufmachen. Die Gewehre mußten sie zurücklassen. Die Jecidis ließen ihnen aber die Messer und die Pferde.
An der Spitze der geschlagenen Truppe ritten der Machredsch, der Hauptmann und der Leutnant Durek. Ihnen folgte die Reiterei, zuletzt kam stolpernd und taumelnd das Fußvolk. Der Boden war hart. Die Luft flimmerte. Menschen und Tiere litten unter Hitze, Staub und Durst. Der Machredsch war mutlos. Was würde der Padischah sagen, wenn er mit seiner Truppe geschlagen zurückkehrte? Da machte sich Leutnant Durek an ihn heran. Er hatte einen Plan, den er nur dem Machredsch auseinandersetzte: «Niemand kann dir verwehren, die Truppe zu verlassen. Ich und einige dir treu ergebene Leute würden mit dir kommen. Ich könnte auch Zivilkleider für uns auftreiben. Hier im Süden weiß ich einen guten Platz an einer Karawanenstraße. Unsere Messer haben wir ja noch. Wenn wir den Deutschen und Kadir Bei erledigen, kannst du dem Padischah erklären, die Jecidis hätten uns in einen Hinterhalt gelockt.» Und nach einer Pause: «Das wäre auf alle Fälle besser als der Strick . . .»
Lange schwieg der Machredsch. Die Truppe kam nur langsam vorwärts. Die Hitze wurde immer drückender.
Plötzlich hielt der Machredsch an und hob die Hand. «Hauptmann», rief er, «du übernimmst hier das Kommando, während ich mit einigen Leuten einen Erkundungsritt unternehme!» An der Truppe entlang reitend, suchte sich der Machredsch jetzt seine Leute aus und verließ mit ihnen sofort den Hauptmann und die zurückbleibenden Soldaten. Diese schienen zu ahnen, was ihr Oberanführer im Sinn hatte. Lange schauten sie der Staubwolke nach, die die Pferdehufe aufwirbelten. Dann befahl der Hauptmann: «Vorwärts!» Und müde bewegte sich der Zug weiter über die Wüstenebene.
Während sie sich durch Staub und Hitze vorwärts schleppten, saß in Burusco der Mütessellin, das ist der Bürgermeister, in seinem kahlen, ärmlichen und dazu noch schmutzigen Amtsareal. Neben ihm stand der Gefängnisvorsteher Selin Aga in schmieriger Uniform und mit ungewaschenem Gesicht. Vor den beiden stand Ahmed el Corda mit auf den Rücken gefesselten Armen. Sein Gesicht zeigte deutlich Spuren von Schlägen. Trotzdem stand er in stolzer Haltung, gerade aufgerichtet. Hinter ihm standen acht türkische Soldaten in schmierigen, zerrissenen Uniformen.
Der Mütessellin fing nun an, Ahmed el Corda die beleidigensten Schimpfnamen an den Kopf zu werfen, die ihm in den Sinn kamen. Er wollte so recht die Macht über den Mann, der da stolz und ungebeugt vor ihm stand, auskosten. Doch plötzlich spuckte ihm der Gefangene mitten ins Gesicht. Einen Moment waren alle starr über diese Frechheit. Diesen Augenblick benutzte Ahmed. Trotz seiner Fesseln erreichte er mit einem Sprung den Ausgang. Doch blitzschnell holte der Feldwebel mit seiner langen Peitsche aus,

Ungeduldig wartet Hadschi Halef Omar darauf, seinen Mut und seine Schießkünste beweisen zu könnenFurchtlos und unbewaffnet tritt Pir Kamek, der Priester der Jecidis, den Angreifern entgegen

Noch einmal fordert Kara ben Nemsi den Machredsch auf, sich zu ergebenAuf den Bergen erheben sich die Jecidi-Krieger, um dem Machredsch zu zeigen, daß er eingeschlossen ist

schlug zu, und das Ende der Peitschenschnur wand sich um Ahmeds Hals. Sogleich waren auch die Soldaten da und nahmen den Flüchtling wieder fest. Mit Kolbenstößen und Peitschenhieben brachten sie ihn wieder vor den Mütessellin. «Halt! Laßt ihn!» gebot der Mütessellin. «Mich zu beleidigen kostet fünfzig Schläge auf die nackten Fußsohlen! Gebt sie ihm!» Dieser Befehl wurde von den Soldaten an Ort und Stelle ausgeführt.

Über eine dürre Ebene mit vereinzelten Bäumen erhob sich ein sanfter Hügel. Dort oben erwartete Scheik Mohammed Emin seine Freunde Kara ben Nemsi und Halef. Eben tauchten sie in einiger Entfernung auf. Neben Karas Pferd Rih Junior lief Dojan, der neue Begleiter und Beschützer. Als Kara und Halef mit Scheik Mohammed zusammengetroffen waren, ritten sie sogleich weiter. Der Scheik sagte zu Kara: «Ich wollte mein Wort nicht brechen, aber hätten wir ihn nicht zwingen sollen, meinen Sohn herauszugeben?» «Nein», antwortete Kara, bestimmt. «Wenn ein Machredsch weiß, daß ein Mann vom Stamme der Haddedins schuld ist an seiner Niederlage, nimmt er schneller Rache als wir reiten können. Er hätte uns alles versprochen, nichts gehalten und die Hinrichtung deines Sohnes beschleunigt. Vielleicht wäre es ihm sogar gelungen, den Padischah gegen die Haddedins aufzuhetzen. Ich weiß, ihr fürchtet euch nicht. Aber weil sich so wenige Araber fürchten, sterben so viele.»
Zu gleicher Zeit saß der Padischah auf seinem Thron im großen Thronsaal. Vor ihm standen Ali Bei und zwei seiner Krieger. Ali Bei erzählte dem Beherrscher aller Gläubigen von dem Angriff des Machredschs auf die Jecidis. Er schloß mit den Worten: «Die Kanonen und Gewehre deiner Soldaten stehen in unserem Tal für dich bereit, o Padischah. Wir haben sie den Angreifern nicht zurückgegeben.» Der Padischah stieg von seinem Thronsessel herunter, blieb vor Ali Bei stehn und schaute ihm fest in die Augen. Mit leiser Stimme fragte er: «Ist alles wahr, was du mir eben erzählt hast?» Ali Bei antwortete fest: «Es ist wahr, o Padischah! Übe Gerechtigkeit, und sei unserer Treue versichert.» Der Padischah entließ Ali Bei und rief den Hauptmann der Leibwache herein. Dieser erschien mit sechs Mann. «Bringt mir den Machredsch von Mossul! Aber bald und lebendig!» befahl der Padischah in scharfem Ton. Dann stieg er wieder zu seinem Thron hinauf, während die Soldaten sich rückwärts gehend entfernten.

Zwischen zwei Felsrücken in der Ebene waren einige Stellen, wo der Boden nicht so felsig war. Ein paar windzerzauste Bäume standen da zwischen verstreuten Felsblöcken. Acht Männer hatten sich im spärlichen Schatten gelagert, ihre Pferde weideten das dürre, stachelige Gras. Es waren der Machredsch, Durek und ihre sechs Getreuen. Alle trugen

Nun sprechen die Waffen und verwandeln das Heer der Angreifer in einen panisch fliehenden HaufenDie Türken versuchen ihr Heil in wilder Flucht

Nach dem abgeschlagenen Fluchtversuch ergeben sich die TürkenDas große Fest der Jecidis kann ungestört stattfinden

jetzt Zivilkleider, der Machredsch sogar sehr elegante. Sie waren ungeduldig. «Ich verstehe nicht wo die Karawane bleibt», sagte Durek. Der Machredsch stand auf: «Der Deutsche darf mir nicht entwischen!» Durek mahnte: «Aber sei vorsichtig, vielleicht weiß der Mütessellin schon alles.» Aber der Machredsch schnauzte ihn nur an: «Belehr mich nicht!» schwang sich in den Sattel und galoppierte davon nach Burusco, um dort mit Kara ben Nemsi abzurechnen.

Eine kleine Karawane bewegte sich auf das Versteck Dureks und seiner Leute zu. Die berittenen Begleiter waren sehr gut bewaffnet. In der Mitte der Karawane wurden von je zwei Pferden zwei Sänftenkörbe getragen. Diese Sänften zeigten an, daß sich Frauen bei der Karawane befanden. Sie saßen zwar nicht in ihren Sänftenkörben, sondern ritten hinterher. Es waren Ingdscha und ihre Dienerin Benda. Die beiden Mädchen plauderten lebhaft miteinander. Mehrmals fiel der Name Kara ben Nemsi. Ingdscha hatte anscheinend bei der Begegnung im Palast des Padischahs großen Gefallen an dem Fremden gefunden. Benda neckte sie immer wieder damit. Die bewaffneten Begleiter der Karawane beobachteten aufmerksam die Umgebung. Aber der einzelne Reiter oben auf der Anhöhe nahe den Felsen entging ihren Blicken. Der Reiter war ein Kundschafter aus Dureks Truppe. Er schätzte schnell die Kampfkraft der Karawane ab, riß dann sein Pferd herum und galoppierte davon.
Auf dem Platz zwischen den Felsen wartete Durek ungeduldig auf die Rückkehr des Kundschafters. Als er ihn kommen sah, lief er ihm sofort entgegen. Der Reiter schrie ihm schon von weitem zu: «Sie kommen!» Durek kehrte zu den andern zurück und befahl: «Bringt die Pferde nach rückwärts und verteilt euch!» Der Befehl wurde sofort befolgt. Wenige Augenblicke später lag der Platz verlassen da. Aber oben in den Felsen über dem engen Durchgang, den die Karawane passieren mußte, hockten die kampfbereiten Männer: In ihren Fäusten blitzten die Messer. Aller Augen waren nach links gerichtet, von wo die Karawane zu erwarten war. Deshalb bemerkte keiner die drei Reiter, welche von rechts heranritten. Es waren Lord Lindsay und sein Diener Archie in Begleitung eines Jecidi. Der Lord beklagte sich eben über Langeweile und Eintönigkeit, als Archie die Karawane bemerkte. Sofort hob sich die Stimmung des Lords. Er zupfte seine Krawatte zurecht und ritt der Karawane entgegen. Genau an der Stelle, wo der Durchgang zwischen den Felsen am schmalsten war, trafen die Karawane und die Gruppe des Lords zusammen. Die beiden Anführer begrüßten sich höflich. Da entdeckte der Lord Ingdscha und Benda. Erfreut wandte er sich ihnen zu, um ihnen einige artige Komplimente zu machen. Doch mitten im Satz schrie er: «Achtung!» und sprang auf den Türken zu; der vom Felsen auf einen Begleiter der Karawane herunter gesprungen war und diesem jetzt das Messer in die Brust stieß. Von allen Seiten warfen sich nun die Männer des Machredsch auf die Karawane. Ein heftiger Kampf entbrannte. Die Begleiter der Karawane schossen. Auch der Lord und Archie zogen ihre Revolver und feuerten. Benda verkroch sich erschreckt in ihren Korb. Doch Ingdscha ergriff ein Gewehr und nahm einen der Türken aufs Korn. Da jagte ein Pferd an ihr vorüber. Sie schoß, und das Pferd brach getroffen zusammen und begrub das

Für Kara ben Nemsi und Lord Lindsay heißt es, wiederum Abschied nehmenAuch Hadschi und der Diener Archie müssen ihren Streit vertagen

Die Jecidis haben dem Machredsch das Leben geschenkt, aber er sinnt auf RacheDer Padischah will nicht glauben, daß sein treuer Machredsch ein rücksichtsloser Verräter ist

tapfere Mädchen unter sich. Ringsum tobte der Kampf weiter. Die Wegelagerer waren in der Überzahl, und die Begleiter der Karawane fielen einer nach dem andern. Die Banditen nahmen ihnen die Schußwaffen weg und richteten sie auf die Überlebenden. Das Pferd des Lords brach getroffen zusammen, Lindsay flog aus dem Sattel und blieb bewußtlos liegen. Archie wollte sich seiner annehmen, mußte sich aber gegen zwei angreifende Räuber verteidigen. Die Lage der Karawane war hoffnungslos. Durek hatte gesiegt. Er befahl: «Los, nehmt Pferde, Wertsachen und Waffen! Aber beeilt euch!» Nun fielen die Banditen erst recht über die Karawane her. Alles wurde auseinandergerissen, Gepäckstücke aufgeschlitzt, die Sänftenkörbe zerfetzt. Alles Wertvolle wurde geraubt. Dann ließen die Räuber die verwüsteten Überreste der Karawane liegen und verschwanden. Um Tote und Verwundete kümmerten sie sich nicht.

Als es auf dem Kampfplatz still geworden war, wagte sich Archie wieder zu seinem bewußtlosen Herrn. Es gelang ihm aber nicht, den Lord ins Leben zurückzurufen. Auf einmal stand jedoch Ingdscha neben ihm. Sie war heil unter dem Pferd hervorgekrochen und anerbot sich nun, den Lord zu pflegen. Sie begann gleich Umschläge zu machen, während Archie Tee bereitete.
Benda war auch wieder zum Vorschein gekommen und half den beiden. Gerade als der Tee fertig und der Tisch gedeckt war, schlug der Lord die Augen auf. Verwirrt blickte er sich um. Archie erklärte ihm kurz: «Mylord und ich sowie diese beiden Mädchen haben als einzige die Schlacht überlebt.» Jetzt erinnerte sich der Lord wieder an den Überfall und auch daran, daß er die beiden Mädchen vorher schon gesehen hatte. Er fragte Ingdscha: «Wo wolltet ihr denn hin?»

Die Beweise, die Ali Bei, der militärische Führer der Jecidis, dem Padischah bringt, sind unwiderlegbarDer Padischah kennt keine Gnade. Er setzt den Machredsch ab und befiehlt dessen Verhaftung

FORTSETZUNG: DURCHS WILDE KURDISTAN  TEIL B


ORIGINAL

ALLE BILDER AUS DEM TECHNISCOPE-FARBFILM NACH DEM GLEICHNAMIGEN ROMAN VON KARL MAY "DURCHS WILDE KURDISTAN" COPYRIGHT ©1965
PRODUKTION: CCC-FILM
VERLEIH: GLORIA-FILM


  FORTSETZUNG: DURCHS WILDE KURDISTAN  TEIL B